Zusammenfassung
Die Weinbranche ist aus drei Gründen ein besonders interessanter Fall, um die Relevanz von Öko-Labels zu untersuchen:
Ziel dieser Studie ist es, den Einfluss von Öko-Labels auf die Einschätzung der Produktqualität durch Expert:innen zu bewerten. Untersucht wird Wein aus Frankreich, einem der wichtigsten weinproduzierenden Länder. Die Daten stammen von 128'182 Weinen, die von französischen Weinexperten degustiert wurden, und ermöglichen einen Vergleich von Öko-Label-Weinen (mit oder ohne Zertifizierung) mit konventionellen Weinen. Frühere Forschungsarbeiten gehen davon aus, dass eine Öko-Zertifizierung durch einen Drittanbieter die Qualität verbessert. Es ist jedoch nicht bekannt, ob dies auf alle Arten der Zertifizierung (biodynamisch oder biologisch) zutrifft und ob nicht-zertifizierte Nachhaltigkeitsverfahren ebenfalls mit Qualitätsverbesserungen verbunden sind.
Die Forschenden stützten sich auf Expertisen und Weinbeschreibungen, die in drei der wichtigsten Weinführer Frankreichs veröffentlicht wurden: dem Gault & Millaud (GM), dem Gilbert & Gaillard (GG) und dem Bettane+Desseauve (BD), für den Zeitraum von 2008 bis 2015. Die Bewertungsskalen der verschiedenen Weinführer wurden harmonisiert, um eine gemeinsame Skala von 0 bis 100 zu schaffen. Die Informationen zu den Zertifizierungen wurden ebenfalls aus den genannten Weinführern entnommen und gegebenenfalls durch offizielle Daten von biologischen und biodynamischen (Demeter) Zertifizierungsstellen ergänzt. Darüber hinaus liefern die Weinführer jeweils Informationen über den Weinberg, den Jahrgang, die Region, die Bezeichnung, die Rebsorte(n) und die Farbe des Weins. Anzumerken ist, dass im GG nicht zwischen Zertifizierungen für biologischen Anbau und Demeter unterschieden wird. Daher sind alle Weine in diesem Führer als biologisch eingestuft. Anschliessend wurden die Daten mithilfe spezifischer statistischer Methoden zu sechs Modellen (1) bis (6) aggregiert, um den Kausaleffekt von Öko-Labels auf beobachtbare Weinmerkmale zu bewerten.
Abbildung 1: Stichprobenverteilung bei Gault Millau. Unterschiedliche Qualitätsbewertungen bei Weinen aus biodynamischer (dunkelgrün), biologischer (grün), integrierter (hellgrün) und konventioneller (hellgrau) Landwirtschaft. Auf der X-Achse wird die Punktzahl dargestellt; höhere Punktzahlen stehen für eine höhere Weinqualität. Besonders beim biodynamischen Wein zeigt sich ein klares Verteilungsmuster: der Anteil an biodynamischen Weinen nimmt mit steigender Punktzahl deutlich zu.
Resultate
Die Ergebnisse der Studie zeigen einen signifikanten Unterschied zwischen der Qualität von Weinen, die unter Bedingungen eines Öko-Labels hergestellt wurden, und konventionell hergestellten Weinen. Die Expert:innen beurteilen die Qualität von biologischen und biodynamischen Weinen positiv. Dies steht in starkem Kontrast zu früheren Beobachtungen über die Vorliebe der Verbraucher:innen für diese Weine. Interessant ist, dass biodynamische Weine im Durchschnitt besser bewertet werden als biologische Weine. Biodynamische Weine haben sich trotz einer für viele Verbraucher:innen schwer verständlichen Zertifizierung einen Ruf für besondere Qualität erworben.
In Modell (1), das am wenigsten restriktiv ist und auf 108'977 Bewertungen aus GM, BD und GG basiert, beobachteten die Forschenden einen kombinierten Effekt von biologischen und biodynamischen Praktiken von etwa +7,1 Prozentpunkten (pp) im Vergleich zur Referenzgruppe, die sich aus Weinen aus konventioneller und integrierter Landwirtschaft zusammensetzt. In Modell (2), das auf 108'977 Bewertungen aus GG und BD basiert, ist der Einfluss der biologischen Praktiken auf die Weinqualität mit etwa +3,3 pp positiv, während die Expert:innen von den biodynamischen Praktiken überzeugter zu sein scheinen: zusätzliche 7,3 pp (10,6 minus 3,3). In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass alle biodynamischen Weine per Definition von Natur aus biologisch sind, da die biodynamischen Vorgaben strenger sind als die des biologischen Anbaus. Diese Ergebnisse stimmen mit jenen überein, die mit den Modellen (3) und (4) unter Verwendung einer Teilmenge von Weinen erzielt wurden, die je nach Jahrgang in den Daten entweder biologisch/biodynamisch oder konventionell sind. Modell (3) erzielt einen kombinierten Effekt von biologischem und biodynamischem Anbau mit einem Anstieg von 3,7 pp. In Modell (4) ist die Wirkung der biologischen Praktiken nicht signifikant, während die biodynamischen Praktiken eine Qualitätssteigerung von 5,4 pp (5,4 minus 0) bewirken.
Es konnten keine überzeugenden empirischen Belege dafür gefunden werden, dass nicht-zertifizierte nachhaltige Praktiken einen positiven Einfluss auf die Weinqualität haben.
Fazit
Die Ergebnisse zeigen, dass typische konventionell wirtschaftende Erzeuger:innen durch die Umstellung auf biologische Praktiken an Qualität gewinnen könnten (Grenzgewinn = +6,2 pp). Auch der Wechsel von biologischen zu biodynamischen Praktiken führt zu einem Qualitätsgewinn (Grenzgewinn = +5,6 pp). Der direkte Übergang von konventionellen zu biodynamischen Praktiken würde zu einer Qualitätssteigerung von 11,8 pp führen. Ein Wechsel von konventioneller zu integrierter/nachhaltiger Landwirtschaft ohne Zertifizierung würde die Qualität jedoch nicht signifikant verändern (Grenzgewinn = 0 pp).
Diese Ergebnisse, die auf einer umfangreichen Stichprobe französischer Weine basieren, stimmen mit den Ergebnissen überein, die M. A. Delmas et al. 2016 aus einer Stichprobe von 74.000 kalifornischen Weinen gewonnen haben. In der Studie von 2016 war es jedoch nicht möglich, zwischen biologischen und biodynamischen Weinen zu unterscheiden, da die Anzahl der Weine in beiden Kategorien zu gering war. Ebenso wenig war es möglich, nicht zertifizierte Praktiken zu bewerten. Die grosse Menge an biologischen und biodynamischen Weinen, die von GM, GG und BD bewertet wurden, ermöglicht diese wichtige Unterscheidung und stützt sich gleichzeitig auf robustere statistische Modelle. Ein weiteres relevantes Ergebnis ist das vergleichsweise schwache Abschneiden selbstberichteter nachhaltiger Praktiken im Vergleich zu konventionellen Praktiken.
Angaben zur Originalstudie
Autor:innen: Magali A. Delmas, Olivier Gergaud
Titel: Sustainable practices and product quality : Is there value in eco-label certification? The case of wine.
Journal: Ecological Economics, Volume 183, 2021, 106953
Link: https://doi.org/10.1016/j.ecolecon.2021.106953
Diese Studienzusammenfassung basiert auf dem Artikel «Étude: les vins certifiés bio et biodynamiques sont-ils meilleurs?» und entstand mit freundlicher Genehmigung von Martin Quantin, Biodynamie Recherche.