Mikrobiota und Gesundheit stehen in engem Zusammenhang. So treten Allergien bei Menschen, die in Städten leben, häufiger auf als bei Menschen, die ländlich wohnen. Als Hauptursache gilt die geringe mikrobielle Vielfalt bei einer gleichzeitig höheren Exposition gegenüber pathogenen Bakterien. Dies ist unter anderem auf strengere Hygienemaßnahmen, den vermehrten Einsatz von Antibiotika und die Ernährungsform zurückzuführen. Eine zucker- und fettreiche Ernährung sowie hochverarbeitete Lebensmittel sind charakteristisch für die sogenannte Western Diet und stehen mit einer Zunahme von gesundheitsschädlichen Bakterien und einer gleichzeitig geringeren Bakterienvielfalt in Zusammenhang. All diese Faktoren begünstigen eine Dysbiose – ein mikrobielles Ungleichgewicht.
Gerade in der frühen Lebensphase ist die mikrobielle Besiedelung für eine gesunde Entwicklung wichtig. Diese wird primär durch die Art der Geburt, die Genetik, die Ernährung und weitere Umweltfaktoren geprägt – unter anderem spielt der Kontakt mit der Natur eine große Rolle. Interessant dabei ist, dass sich in den Bakteriengemeinschaften der Haut zahlreiche Übereinstimmungen mit dem Boden, mit dem man in Kontakt ist, und der unmittelbaren Umgebung finden lassen. Die Bakterien von Darm und Boden unterscheiden sich zwar deutlich – und dennoch deuten Erkenntnisse darauf hin, dass die Art der Bodenbedeckung und Gartenvegetation einen Einfluss auf die Darmmikrobiota und so auf das Immunsystem haben.
Da Allergien immer häufiger auftreten, insbesondere schon im Kindesalter, wird die Frage nach prophylaktischen Maßnahmen zunehmend dringender. Roslund et al. (2020) untersuchten daher, inwieweit die ökologische Biodiversität von Mikroorganismen in städtischen Kindertagesstätten (Kitas) Einfluss auf die Darm- und Hautmikrobiota bei Kindern hat und sich damit auf die Gesundheit auswirkt.
Studienaufbau
Die Untersuchung fand an zehn Kitas in den beiden finnischen Städten Lathi und Tampere statt. Insgesamt wurden 75 Kinder im Alter von drei bis fünf Jahren untersucht. Die Kitas unterschieden sich wie folgt:
- Kitas mit Standard-Spielplätzen (Standard-Kitas): etwa 500 m² großer Hof mit wenig oder keiner Grünfläche als Kontrollgruppe mit 16 Kindern.
- Kitas mit Interventions-Spielplätzen (Interventions-Kitas): Höfe mit 100 m² Waldboden bedeckt sowie 200 m² Rasen. Zudem wurden einjährige Pflanzen in Töpfen platziert und Torfblöcke zum Klettern und Graben aufgestellt. Dort hielten sich 36 Kinder auf.
- Naturorientiere Kindertagesstätten, in denen die Kinder täglich nahegelegene Wälder besuchten (naturorientierte Kitas). In dieser Positivkontrollgruppe wurden 23 Kinder untersucht.
Alle Kinder spielten zweimal täglich circa eine halbe bis zwei Stunden im Hof bzw. im Wald. Sie erhielten täglich drei einheitliche Mahlzeiten aus zwei Zentralküchen, die nach den Richtlinien der finnischen Lebensmittelbehörde National Nutrition Council zubereitet wurden. Der private Verzehr von frischem Gemüse, der Kontakt zu Tieren, die Zeit im Freien sowie die Anzahl der Geschwister waren in allen Kindertagesstättengruppen vergleichbar.
Vor und nach der 28-tägigen Interventionsphase (Mai bis Juni) bestimmten die Forschenden die Haut- und Darmmikrobiota der Kinder mittels Hautabstrichen und Stuhlproben. Kinder, die während der Intervention Antibiotika oder andere Medikamente erhielten, wurden von der Studie ausgeschlossen. Zudem wurden auch immunologische Parameter bestimmt. Darüber hinaus verglichen die Forschenden die Umweltmikrobiota in den Standard- und Interventions-Kitas vor und nach der Intervention. Hierfür analysierten sie relative Häufigkeit und Diversität der Bakterien in den Bodenproben der Spielplätze und Sandkästen.
Ergebnisse
Mikrobiota des Bodens
Nach der Intervention hatten sich Bakterienstämme sowie ganze Bakteriengemeinschaften zwischen den Interventions- und Standards-Kitas verändert. Zum Beispiel reicherten sich Gammaproteobakterien in den Interventions-Kitas an, was sich in einer achtfach höheren relativen Häufigkeit im Vergleich zu den Standard-Kitas widerspiegelte. Insgesamt bewirkte die Intervention eine Erhöhung der durchschnittlichen Vielfalt (Alpha-Diversität) wie auch eine größere Unterschiedlichkeit zwischen den mikrobiellen Gemeinschaften der Kitas (Beta-Diversität).
Mikrobiota der Haut
Vor der Intervention wiesen die Kinder in den naturorientierten Kitas im Vergleich zu den Kindern in den Standard- oder Interventions-Kitas eine vielfältigere Hautbakteriengemeinschaft auf, insbesondere in Bezug auf Alphaproteobakterien. Zwischen den Kindern aus den Standard- und Interventions-Kitas bestanden vor der Maßnahme keine signifikanten Unterschiede. Nach der Intervention zeigte sich bei den Kindern in den Interventions-Kitas eine vielfältigere Hautmikrobiota, insbesondere in Bezug auf Proteo- und Gammaproteobakterien, im Vergleich zu den Kindern in Standard-Kitas. Ein besonders deutlicher Unterschied war bei den Αlphaproteobakterien erkennbar, deren Vielfalt bei Kindern in Interventions-Kitas signifikant zunahm (p<0,001). Die Zusammensetzung der Haut-Mikrobiota bei den Kindern in den Interventions-Kitas ähnelte am Ende des Untersuchungszeitraumes der Kinder in den naturorientierten Kitas.
Mikrobiota des Darms
Ebenso wie die Hautmikrobiotoa war die Zusammensetzung der Darmmikrobiota bei den Kindern in den Standard- und Interventions-Kitas vor der Intervention weitgehend vergleichbar. Dies zeigte sich insbesondere an ähnlichem Vorkommen der Ruminococcaceae, einer gesundheitsfördernden Bakterienfamilie, die vermehrt bei den Kindern in den naturorientierten Kitas vorkamen. Nach der Intervention stieg sowohl die Vielfalt als auch die relative Häufigkeit der Ruminococcaceae bei den Kindern in den Interventions-Kitas signifikant an (p=0,01 bzw. p=0,03) und waren somit ähnlich wie bei den Kindern in den naturorientierten Kitas. Gleichzeitig nahm die relative Häufigkeit der Clostridiales, einer Bakteriengruppe mit eher pathogenen Eigenschaften, bei den Kindern in Interventions-Kitas ab (p=0,003).
Immunologie
Die Intervention hatte auch Auswirkungen auf die Immunologie in dem Sinn, dass das Blutbild eine verbesserte Regulation von Entzündungen zeigte.
Fazit
Die Ergebnisse zeigen, dass die Exposition gegenüber der mikrobiellen Vielfalt in der Umwelt das Mikrobiom verändern und das Immunsystems bei Kindern beeinflussen kann. Durch die Umgestaltung des Hofes – indem Waldboden und Rasen angelegt sowie Pflanzen und Torfblöcke zum Spielen aufgestellt wurden – nahm sowohl die Vielfalt der Gammaproteobakterien auf der Haut als auch der Anteil Treg-Zellen im Blut zu. Gammaproteobakterien können das Immunsystem unterstützen, indem sie die Reifung der Treg-Zellen fördern und so entzündungshemmende Signale geben. Beide zusammen – die Gammaproteobakterien und die Treg-Zellen – tragen dazu bei, Allergien vorzubeugen. Gleichzeitig zeigte sich eine positive Veränderung der Darmmikrobiota, erkennbar an der Zunahme der Ruminococcaceae, einer Bakterienfamilie, die mit der Aufrechterhaltung der Darmgesundheit assoziiert ist. Darüber hinaus verbesserten sich durch die Intervention die Verhältnisse der Zytokine zugunsten entzündungshemmender Zytokine.
Diskussion
Die Studie, obwohl bereits aus dem Jahr 2020, dient als gutes Beispiel dafür, wie groß der Einfluss der Umgebung – insbesondere der des Bodens als Lebensraum für unzählige Mikroorganismen – auf den menschlichen Organismus ist: Er reicht bis in die kleinsten Zellen des Immunsystems. Faszinierend an der Studie ist, wie schnell und einfach sich die Mikrobiota der Kinder verändert hat – allein dadurch, dass sie sich draußen aufhielten und beim Spielen mit Boden in Berührung kamen. Eine Gesundheitsressource, die gut zugänglich ist. Das Spielen im Freien oder gar das Buddeln im Dreck ist in der heutigen Zeit, in der kleine Kinder bereits viel Zeit mit Tablets & Co. verbringen, keine Selbstverständlichkeit mehr. Spielen sie hingegen draußen und können sich frei bewegen, sind sie nicht nur ausgeglichen und glücklich, sondern stärken gleichzeitig auch noch langfristig ihr Immunsystem und beugen Allergien vor. Damit dieser gesundheitsfördernde Einfluss entstehen kann, braucht es – neben dem Kontakt damit – einen Boden, der gesund ist und eine hohe mikrobielle Diversität aufweist. Diese entsteht, wenn die Bodenbewirtschaftung nachhaltig erfolgt, also ohne chemisch-synthetische Dünungsmittel und Pestizide. Genau das ist das Anliegen der biodynamischen Landwirtschaft: den Boden so zu bewirtschaften, damit Humus aufgebaut und eine hohe Biodiversität gepflegt werden. Solch ein Boden enthält gesundheitsfördernde Bakterien, die die menschliche Mikrobiota und das Immunsystem positiv beeinflussen kann – wenn man in Kontakt geht.
Literaturverzeichnis
[1] Roslund MI, Puhakka R, Grönroos M, Nurminen N, Oikarinen S, Gazali AM, Cinek O, Kramná L, Siter N, Vari HK, Soininen L, Parajuli A, Rajaniemi J, Kinnunen T, Laitinen OH, Hyöty H, Sinkkonen A, ADELE research group (2020): «Biodiversity intervention enhances immune regulation and health-associated commensal microbiota among daycare children» Sci. Adv. 6, eaba2578.
