Mit dem neuen Jahresthema möchten wir der Qualität von biodynamischen Produkten auf den Grund gehen. Die biodynamische Landwirtschaft erfreut sich weltweit grosser Beliebtheit. Immer mehr Land wird biodynamisch bewirtschaftet, spezialisierte Betriebe stellen auf biodynamisch um und biodynamische Produkte sind im Handel gefragt. Neben der Menge ist stets die Qualität eines Produkts bedeutsam, schliesslich soll das Essen auch schmecken und guttun.
Vielschichtig und dynamisch: Qualität
Bei der Entstehung von Qualität wirken im Laufe der Zeit vielfältige Einflüsse mit.
Im Ackerbau zum Beispiel, wo Jahr für Jahr das Wachsen und Reifen der Kulturen zwischen Erde und Kosmos begleitet wird, entsteht die Qualität aus einem Samen, der sich unter einzigartigen Wachstumsbedingungen sowie der menschlichen Pflege entwickelt und reife Früchte gibt. Die Art der Entwicklung des lebendigen Wesens schafft die Qualität. Der Mensch, seine Beziehung zum Produkt und zu seiner Umwelt sowie seine Absicht spielen bei der Entstehung von Qualität eine zentrale Rolle.
Die Bedeutung und Bewertung von Qualität verändern sich je nach dem Zusammenhang, in dem sie betrachtet wird. Ganz einfach erlebbar wird dies, wenn man frisches Brot bricht und einem der warm-feuchte Duft von gebackenem Getreide in die Nase strömt. Dabei werden augenblicklich alle Sinne angesprochen und man ist unmittelbar gespannt auf den Geschmack. Diese Sinnesexplosion ist nicht nur ein Erlebnis, sondern auch der letzte Qualitätscheck vor dem Genuss. Will man altes Brot weiterverwenden und zum Beispiel an ein Tier verfüttern, würde man ganz anders vorgehen.
Je nachdem wen man fragt und in welchem Zusammenhang, wird man eine unterschiedliche Definition von Qualität erhalten. Was einem schmeckt, guttut oder gut ist, ist eine Frage, die von zahlreichen Einflüssen wie Ernährungsstil, Weltbild, Beruf und Umweltbewusstsein geprägt ist. Die Frage, was Qualität ist, wie man sie wahrnimmt, erlebt und weiterentwickelt, ist vielschichtig und dynamisch.
Rudolf Steiner, der Begründer der biodynamischen Landwirtschaft, gibt einen wichtigen Impuls, um Qualität vertieft zu studieren und eine biodynamische Qualität zu entwickeln.
Eine ganzheitliche Qualität für den Menschen
Am Ende des vierten Vortrages des «Landwirtschaftlichen Kurses» hat Rudolf Steiner sich wie folgt zu den Eigenschaften von hochwertiger Nahrung geäussert:
«Das Wichtigste ist, wenn die Dinge an den Menschen herankommen, dass sie seinem Dasein am allergedeihlichsten sind. Sie können ja irgendwelche Frucht ziehen die glänzend aussieht, […] aber sie ist vielleicht für den Menschen nur magenfüllend, nicht eigentlich sein inneres Dasein organisch befördernd.»
Rudolf Steiners Nahrungsbegriff geht über stoffliche und sinnliche Eigenschaften, wie beispielweise Geschmack und Geruch von Essen, hinaus. Er erweitert den Begriff um die Umwandlung und Entfaltung im Körper. Seine Charakterisierung kann als Vision für die Qualität von biodynamischen Produkten dienen. Will man diese erreichen, ist es wesentlich zu erforschen, was «das innere Dasein organisch befördert» und was das konkret für die Produktion, die Verarbeitung, den Handel und den Konsum bedeutet. Der «Landwirtschaftliche Kurs» sowie die vielen Entwicklungen und Initiativen, die darauf aufbauen oder damit verbunden sind, bilden hierfür eine wertvolle Quelle.
Im Laufe des Jahres wird das Thema «Die Qualität von biodynamischen Produkten und was sie für die Erde und den Menschen bedeutet» von der Sektion für Landwirtschaft und dem Vertreterkreis weiterbearbeitet und bildet das Motto der Landwirtschaftlichen Tagung, der internationalen Konferenz der biodynamischen Bewegung, vom 2. bis 5. Februar 2022. Wir laden Sie herzlich ein, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.
Auf der Tagung wird der Michaelbrief «Im Anbruch des Michael-Zeitalters» gelesen und bearbeitet (Rudolf Steiner: Anthroposophische Leitsätze. 1982).
Diese Themen sind als Anregungen gedacht, die vielfältigen Facetten allein, in Arbeitsgruppen, Treffen, Tagungen usw. zu bearbeiten:
- Die Bedeutung des Werdeprozesses von einem landwirtschaftlichen Produkt aus der Natur, der Veredlung und des Genusses für die Qualität eines Nahrungsmittels
- Der Einfluss der geografischen, sozialen, wirtschaftlichen Situation von Betrieben auf die Produktqualität, denn jeder Betrieb ist individuell und hat eigene Düngemittel, Tierbestand und Kundschaft
- Die Haltung und Hingabe des Menschen zum Produkt und Akt der Herstellung und damit einhergehend zum Beispiel zur Kulturlandschaft, Arbeitssituation im Betrieb und zum Umgang mit Tieren
- Auswirkungen der biodynamischen Massnahmen (Präparate) auf Qualität und Methoden, die sich zum Wahrnehmen und Analysieren eignen
- Risiken und Potenziale der Mechanisierung bei der Erzeugung, Veredlung und Zubereitung von Produkten
- Einfluss der Arbeitsteilung sowie von Handwerk
- Die Rolle der Esskultur für Genuss, Qualität und Produktion
- Vielfalt der Möglichkeiten und Methoden, um Qualität wahrzunehmen und zu erfahren
- Wie können wir eine Kultur der sinnlichen Erfahrung enwickeln, sodass jede*r sich selbst von der besonderen Qualität überzeugen kann?
- Die Bedeutung von Ernährung für Mensch, Erde und Kosmos
Die weltweite Bearbeitung des Themas wird in der nächsten Landwirtschaftlichen Tagung vom 2. bis 5. Februar 2022 gipfeln.
Literaturhinweise:
- J.-O. Andersen: Vitality, from soil to stomach. 2019. Books on demand
- G. Berardi: Foodwise. A Whole Systems Guide to Sustainable and Delicious Food Choices. 2020
- P. Essink, P. Doesburg: Barstensvol leven, een pleidooi voor vitale voeding. 2020. Christofoor, 2. Aufl.
- J. Peschke: Vom Acker auf den Teller. Was Lebensmittel wirklich gesund macht. 2021. AT Verlag
- R. Steiner: Geisteswissenschaftliche Grundlagen zum Gedeihen der Landwirtschaft, Landwirtschaftlicher Kurs 4. und 8. Vortrag, sowie Vortrag vom 20.06.1924. 1984
Weitere Hinweise auf www.agriculture-conference.org/de/2022