Die konventionelle Landwirtschaft verspricht hohe Erträge und Gewinne, verursacht jedoch gleichzeitig enorme finanzielle und ökologische Kosten. Im vergangenen Jahrhundert entstanden mehrere nachhaltige landwirtschaftliche Ansätze als Antwort auf die industrialisierte, konventionelle Landwirtschaft. Diese neuen Ansätze bedienen sich oftmals traditioneller Praktiken. Werden solche Praktiken jedoch lediglich kopiert, ohne den Kontext und das indigene Wissen, in die sie eingebettet sind, zu verstehen, werden sie laut den Autoren von «Whitewashed Hope» nur begrenzt Lösungen für die aktuellen ökologischen Krisen bieten können. Die indigenen Autoren identifizieren sechs Bereiche, in denen sich die westliche Weltanschauung von einer traditionellen, naturalistischen Sichtweise unterscheidet:
Julia Wright bringt diese Aspekte in Bezug zum umfangreichen Werk von Rudolf Steiner, unter anderem auch zum «Landwirtschaftlichen Kurs», der die Basis der biodynamischen Landwirtschaft bildet. Dabei konnte sie für alle sechs Hauptkritikpunkte, die in «Whitewashed Hope» aufgeführt werden, Synergien zwischen beiden Ansätzen finden. Sie betont jedoch auch, dass nicht sämtliche biodynamischen Praktiken automatisch die zugrunde liegenden Konzepte spiegeln und nicht sämtliche biodynamischen Landwirt:innen mit der Philosophie Rudolf Steiners übereinstimmen.
Eine zentrale Gemeinsamkeit zwischen der indigenen Sichtweise und der Biodynamik ist die holistische Weltsicht, die dazu beiträgt, ein globales Gleichgewicht zu erhalten. Dazu gehört auch, die eigene Sichtweise über das Materielle hinaus zu erweitern. Besonders in Europa, das durch mehrere Kolonialisierungswellen geprägt wurde, gilt es, von den ursprünglichen indigenen Kulturen und Weltanschauungen zu lernen. Sowohl für Rudolf Steiner als auch für die indigenen Führungspersönlichkeiten gibt es einen Zugang zur inneren Natur der Welt, der sich nicht rein materialistisch begreifen lässt. Eine ganzheitlichere Sicht der Landwirtschaft würde demnach auch eine Erweiterung der landwirtschaftlichen Forschung mit sich bringen. Dies umschliesst sowohl die Art, wie Forschung betrieben wird, als auch die Forschungsobjekte selbst.
Abbildung 1: Grafische Darstellung unterschiedlicher landwirtschaftlicher Praktiken. A: Industrielle Landwirtschaft beschränkt sich auf die reduktionistische Seite der materiellen Dimension. B: Regenerative Landwirtschaft erweitert das Konzept um einen Systemansatz, verbleibt jedoch auf der materiellen Ebene. C: Holistische Landwirtschaft. Erst die Beachtung der nicht materiellen, spirituellen Dimension komplettiert die ganzheitliche Perspektive der Landwirtschaft.
Kommentar
In gewisser Weise stimmt der Ansatz der indigenen Führungspersönlichkeiten für eine nachhaltige Landwirtschaft mit Rudolf Steiners biodynamischen Prinzipien überein. Beide betonen, wie wichtig es ist, mit der Natur anstatt gegen sie zu arbeiten, und beide erkennen die Verbundenheit aller Lebewesen untereinander an. Während die indigenen Führer auf traditionelles Wissen und Praktiken zurückgreifen, basieren Rudolf Steiners biodynamische Methoden jedoch auf seinen eigenen spirituellen Erkenntnissen und sind nicht unbedingt an eine bestimmte kulturelle Tradition gebunden. Auch wenn die beiden Ansätze nicht deckungsgleich sind, so scheinen sie sich doch gegenseitig nicht im Weg zu stehen und verfolgen dasselbe Ziel: eine harmonischere Beziehung zwischen Mensch und Natur.
Angaben zum Originalbericht
Link zum Onlineartikel «Whitewashed Hope»