Fragestellung
Jeder Verarbeitungsschritt verändert die Qualität der ursprünglichen Rohware. Bei Frühstückscerealien wie gerösteten Flocken sowie extrudierten oder gepufften Produkten spricht man sogar von ultrahochverarbeiteten Nahrungsmitteln. Von Bio- und Demeter-Lebensmitteln wird aber erwartet, dass die Produkte so natürlich wie möglich sind. Laut der EU-Richtlinie für den ökologischen Landbau dürfen nur Verarbeitungsverfahren angewandt werden, die ökologische Merkmale und Qualitäten der Erzeugnisse beibehalten (EU-Verordnung 2018/848). Dies wirft die Frage auf, inwieweit die Qualität beispielsweise bei der Herstellung von Bio-Frühstückscerealien bestehen bleibt.
Die hier präsentierte Studie untersucht deshalb vier verschiedene Getreidearten (Dinkel, Buchweizen, Reis, Quinoa) und daraus hergestellte Frühstückscerealien aus unterschiedlichen Herstellungsverfahren. Folgende produktbezogene Qualitätsaspekte wurden analysiert:
- Konzentrationen an chemischen Substanzen, die hitzeempfindlich sind und mit der menschlichen Gesundheit in Zusammenhang stehen.
- Strukturelle Aspekte von Lebensmitteln, die mittels einer ganzheitlichen Methode (Fluoreszenz-Anregungs-Spektroskopie) erfasst werden und mit denen empfindliche Qualitätsaspekte in Bezug auf Verarbeitung und Produktionsintensität ermittelt werden.
- Lebensmittelinduzierte emotionale Erfahrungen (Wirksensorik®): Dabei werden physische und emotionale Erfahrungen nach dem Verzehr von Lebensmitteln wahrgenommen.
Durchführung
Die Studie erfolgte in Deutschland in Zusammenarbeit mit dem Forschungsinstitut KWALIS, dem Forschungsring e.V. und der Wirksensorik GmbH.
Es wurden Dinkel (Triticum spelta), Buchweizen (Fagopyrum esculentum), Reis (Oryza sativa) und Quinoa (Chenopodium quinoa) aus kontrolliert biologischem Anbau als rohe Körner und als Produkte aus vier verschiedenen Verarbeitungsverfahren untersucht. Dabei handelte es sich um das Flockieren gedämpfter Körner (F), das Flockieren und Rösten gekochter Körner (FR), das Extrudieren von Teig (E) und das Puffen von Körnern (P). Nur Quinoa wurde nicht zu (FR) und (P) verarbeitet.[1]
Bei den Inhaltsstoffen wurden die Konzentrationen von Vitamin B1 (Thiamin), Vitamin B9 (Folat), Lysin sowie die schädliche Substanz Acrylamid gemessen. Die gesundheitsförderlichen Vitamine sowie die Aminosäure Lysin sind sehr hitzeempfindlich und eignen sich als Marker für den hitzebedingten Abbau. Acrylamid ist dahingegen ein geeigneter Parameter für die Bildung gesundheitsschädlicher Stoffe, die bei Hitzeeinwirkung entstehen können.
Die Lebensmittelstruktur wurde mittels Fluoreszenz-Anregungs-Spektroskopie gemessen. Das KWALIS Institut entwickelte diese Methode, die Stolz et al. (2019) 2 beschreiben. Die verzögerte Fluoreszenz der jeweiligen Probe wurde durch Messung der Photonenemission nach Anregung mittels sichtbaren Lichts in sieben verschiedenen Wellenlängenbereichen aufgezeichnet. Insgesamt erfolgte eine Auswertung von 108 Parametern wie zum Beispiel die Kurz- und Langzeitemission pro Anregungsfarbe.
Die Messung der lebensmittelinduzierten Emotionen erfolgte anhand des EmpathicFoodTests, der als Wirksensorik von Geier et al.3 entwickelt wurde. Bei diesem Test werden mit Hilfe 12 polarer Fragen die körperlichen und seelischen Befindlichkeiten wie auch ihre Dauer (z.B.: warm vs. kalt, wach vs. müde, nervös vs. entspannt) abgefragt. Es wurden lediglich die verarbeiteten Produkte aus Dinkel und Buchweizen untersucht.
Ergebnisse
Die Ergebnisse zeigten bei allen Proben verarbeitungsbedingte Verluste der Vitamine B1 (Thiamin) und B9 (Folat) sowie der Aminosäure Lysin. Bei der Flockenherstellung (F) gab es nur sehr geringe Verluste an Vitamin B1, bei der der Gehalt nach Verarbeitung bei 81 % ± 18 % lag. Die Verarbeitung zu gerösteten Flocken (FR), extrudiertem Teig (E) und gepufften Körnern (P) wiesen die höchsten Vitaminverluste auf. Insbesondere bei den gepufften Körnern lag der Vitamin B1-Gehalt nur noch bei 10 % ± 7 % im Vergleich zu den Rohkörnern. Auch Lysin war in den gepufften Proben mit 60 % ± 9 % deutlich reduziert, vor allem bei Reis und Dinkel.
In Flocken (F) wurde bei keiner Getreideart Acrylamid gemessen (<10 ± 0 µg kg-1). Dagegen war Acrylamid in den gerösteten Flocken (FR) und gepufften Körnern (P) bei allen Getreidearten erhöht, am stärksten bei Dinkel (>200 µg kg-1). Bei den Extrudaten (E) wurde nur in Dinkel Acrylamid nachgewiesen. Dies liegt vermutlich daran, dass Dinkel einen höheren Zuckergehalt (4-6 g/100 g) im Vergleich zu den anderen Getreidearten hat und Zucker neben Aminosäuren einer der Ausgangsstoffe ist, aus dem Acrylamid unter Hitzeeinwirkung gebildet wird.
Die Auswertung der verzögerten Fluoreszenz zeigte, dass die einzelnen Proben unterschiedlich sensibel auf die Verarbeitung reagierten. Es ist bekannt, dass die Intensität der verzögerten Photonenemission zum Beispiel mit der Alterung der Produkte, aber auch mit der landwirtschaftlichen Produktion des Ausgangsmaterials zusammenhängt. Das Anregungsspektrum spiegelt den physiologischen Zustand der Produkte wider. Breitbandige Spektren mit relativ hoher Emission nach gelber und roter Anregung sind für blattähnliche Proben charakteristisch und können als Ausdruck für Wachstumsprozesse gewertet werden. Schmalbandige Spektren, bei denen die Emission nach Blau und Weiß dominiert, werden eher bei Körnern in der Ruhephase beobachtet – ein Ausdruck dafür, dass Wachstum zu Differenzierung geführt hat. Extrem schmalbandige Spektren sind in Materialien vorhanden, die nicht mehr in einen organischen Kontext eingebunden sind wie zum Beispiel Kristalle, Steine oder Metall. In der Studie zeigten rohe Körner ein breitbandiges relatives Spektrum auf, die verarbeiteten Proben schmalbandigere Spektren. Diese Verschiebungen des Emissionsmusters sind ein Zeichen dafür, dass die Proben mit hohem Verarbeitungsgrad (geröstete Flocken und Extrudate) einen deutlichen Verlust der kornspezifischen Qualität aufweisen. Auch die Gesamtemission nach gelber und grüner Anregung zeigte ähnliche Ergebnisse: Während die Gesamtemission bei den stark verarbeiteten Produkten sehr hoch war, wiesen die rohen Körner nur eine geringe Gesamtemission auf. Flocken von gedämpften Körnern (F) emittierten auf einem mittleren Niveau. Mit dieser Untersuchungsmethode konnte eine Verschlechterung der ursprünglichen Qualität in Abhängigkeit von der Wärmeeinwirkung und Verarbeitungsintensität nachgewiesen werden.
Der EmpathicFoodTest belegte, dass die Art der Verarbeitung die lebensmittelinduzierten Emotionen beeinflusst. So wurden zum Beispiel die Flocken von gedämpften Körnern (F) mit eher positiven Emotionen bewertet, was beim Dinkel deutlicher war als beim Buchweizen. Die Auswertung der lebensmittelinduzierten Emotionen stimmte mit den Ergebnissen der verzögerten Fluoreszenz überein, es gab jedoch Unterschiede zu den analytischen Parametern: Zum Beispiel wurden die Extrudate (E) sowohl beim Dinkel als auch Buchweizen am schlechtesten bewertet, die chemisch-analytischen Parameter wiesen jedoch weniger schädliche Auswirkungen der Extrusion gegenüber dem Puffen oder Rösten der Flocken auf.
Die Ergebnisse zeigen, dass verarbeitungsbedingte Qualitätsverluste bei jedem der geprüften Herstellverfahren vorhanden sind. Das Flockieren von gedämpften Körnern (F) ist das Verfahren, das die Qualität des ursprünglichen Korns am ehesten bewahrte und so als schonende bzw. qualitätsfreundliche Verarbeitungsmethode eingestuft werden kann. Die Ergebnisse legen zudem nahe, dass es einen Qualitätsaspekt gibt, der von den stofflich-analytischen Parametern nicht erfasst wurde, der sich aber sowohl in der verzögerten Fluoreszenz als auch bei den lebensmittelinduzierten Emotionen zeigte.
Diskussion
Manche Nahrungsmittel wie rohes Getreide sind zunächst wenig bzw. nicht bekömmlich. Erst durch Verarbeitung wie das Keimen oder durch eine Wärmeanwendung werden sie für den Menschen verdaulich. Somit ist eine Lebensmittelverarbeitung eher förderlich und kann eine Veredelung darstellen. Sie ist dann erfolgreich, wenn Bekömmlichkeit, Aroma und Verdaulichkeit gesteigert werden und die Nährstoffe weitgehend erhalten bleiben. Wie die Studie zeigt, ist eine stoffliche Analyse im Hinblick auf gesundheitliche Auswirkungen möglich, wie zum Beispiel, dass die Bildung von Acrylamid aufgrund seiner kanzerogenen Wirkung vermieden werden sollte und somit als qualitätsmindernd eingestuft wird. Die Studie verdeutlicht jedoch auch, dass dies allein nicht ausreichend ist, um eine umfassende Aussage hinsichtlich der Qualität treffen zu können. Die Ergebnisse untermauern, dass es Qualitätsaspekte gibt, die nicht rein auf quantitativ analytischer Ebene erfasst werden können, die sich jedoch in Messmethoden wie der verzögerten Fluoreszenz und den lebensmittelinduzierten Emotionen widerspiegeln. Mit solchen Messmethoden kann Qualität ganzheitlich erfasst werden.
Quelle: J Wohlers, P Stolz, U Geier (2024): «Intensive processing reduces quality of grains: a triangulation of three assessment methods», Biological Agriculture & Horticulture,
DOI: 10.1080/01448765.2023.2295868
[1] Das Verfahren zur Herstellung von Flocken (F) umfasste eine Befeuchtung des ganzen Korns mit Dampf (ca. 70°C) und ein anschließendes Auswalzen (Flockieren) und Trocknen bei niedrigen Temperaturen. Geröstete Flocken (FR) wurden aus Körnern hergestellt, die vor dem Flockieren gekocht, dann bei hohen Temperaturen getrocknet und geröstet wurden. Bei den extrudierten Produkten (E) wurde ein Teig aus gemahlenem Getreide unter Hitze und Druck hergestellt durch eine Matrize gepresst. Für das Puffen (P) wurden ganze Körner mit Dampf befeuchtet und dann unter hohen Temperaturen unter Druck gesetzt. Bei raschem Druckabfall kommt es dann zum Ausdehnen bzw. Puffen der Körner. Die Hitzeeinwirkung ist bei der Verarbeitung von (F) am niedrigsten und bei (P) am höchsten.
2 Stolz P, Wohlers J, Mende G. (2019): Measuring delayed luminescence by FES to evaluate special quality aspects of food samples – an overview. Open Agric. 4(1):410-417. doi: 10.1515/opag-2019-0039.
3 Geier U, Buessing A, Kruse P, Greiner R, Buchecker K (2016): Development and Application of a Test for Food-Induced Emotions. PLoS ONE 11(11): e0165991. doi:10.1371/journal. pone.0165991