Trotz mehreren Studien, welche die Vorteile des biodynamischen Weinbaus im Vergleich zum konventionellen Weinbau hervorheben, wird der anthroposophische Ansatz unter den Landwirt:innen noch immer kontrovers diskutiert. Während der biodynamische Ansatz sich vermehrt auf die Förderung der Pflanzengesundheit konzentriert, widmet sich der konventionelle Ansatz eher der Bekämpfung von Krankheiten und unerwünschten Bedingungen. Im Hinblick auf einen umwelt- und gesundheitsverträglicheren Weinbau lohnt sich ein vertiefter wissenschaftlicher Blick auf die pflanzeneigenen Abwehrmechanismen und deren gezielte Förderung. Dies gilt besonders, da Einsatz und Wirkung von Pestiziden zwar gut erforscht, diese aber auch mit hohen ökologischen Kosten verbunden sind.
Für die Studie wurden 14 Testflächen ausgewählt, von denen acht konventionell und sechs biodynamisch bewirtschaftet werden. Alle Flächen weisen vergleichbare klimatische Bedingungen auf und werden seit mehr als 20 Jahren bewirtschaftet. Als Traubensorte wurde Pinot Noir gewählt, da diese Sorte häufig angebaut wird, als gut erforscht gilt und ihr Genom bereits vollständig entschlüsselt wurde. Über vier Jahre hinweg wurden verschiedene Parameter zu Anbaupraktiken und Pflanzengesundheit dokumentiert und der Befall mit Viren und Mehltau erfasst.
Resultate:
Auf den konventionellen Testflächen wurden synthetische Fungizide mit langer Wirkungsdauer ausgebracht, wohingegen auf den biodynamischen Flächen verschiedene Präparate zum Einsatz kamen, die nach Regenfällen erneut aufgetragen werden mussten. Auf allen Testflächen wurden kupfer- und schwefelhaltige Pflanzenschutzmittel eingesetzt, wobei auf den biodynamischen Flächen im Vergleich zu den konventionellen Flächen ein Vielfaches an Schwefel ausgebracht wurde.
Die Zahl der von Mehltau befallenen Pflanzen nahm im Versuchsverlauf auf den biodynamischen Flächen stärker zu als auf den konventionellen Flächen. Da jedoch keines der beprobten Blätter äusserliche Anzeichen eines Pilzbefalls zeigte, scheinen beide Methoden die Verbreitung des Befalls effektiv verlangsamt zu haben. Generell wirkten synthetische Fungizide effektiver gegen Infektionen, sie weisen jedoch auch eine höhere ökologische Schadwirkung auf. Bei der biodynamischen Methode ist lediglich der Einsatz von Kupfer als ökologisch bedenklich einzustufen.
Abbildung 1: Mengen der ausgebrachten Stoffe auf konventionellen (schwarz) und biodynamischen (grün) Flächen. Sulphur = Schwefel; Copper = Kupfer; mTFI = modifizierter Index der Behandlungshäufigkeit. Der mTFI gibt die Gesamtheit der ausgebrachten Stoffe ohne Berücksichtigung von Schwefel und Kupfer an. Berechnung: eingesetzte Dosis * behandelte Feldfläche / empfohlene Dosierung * gesamte Feldfläche. Summe der Behandlungen = Schwefel + Kupfer + mTFI.
Die Reaktion der Weinreben auf Trockenheit wurde anhand der Häufigkeit des Auftretens von Abwehrgenen und sekundären Pflanzenstoffen gemessen, die unter anderem in Zusammenhang mit der Immunreaktion der Pflanze gebracht werden. Die Forschenden konnten bei den biodynamisch angebauten Weinreben eine deutlichere Reaktion auf Trockenheit als bei den konventionell bewirtschafteten Weinreben feststellen, was sich in einer höheren Genaktivierung ausdrückte. Je höher die Belastung durch Trockenheit war, desto deutlicher waren diese Unterschiede ausgeprägt. Als mögliche Ursache nennen die Forscher:innen den Gebrauch von Mist und biodynamischen Präparaten im biodynamischen Anbau anstelle von synthetischen Fungiziden.
Die Beobachtungen in Bezug auf Pilz- und Virenbefall sind vergleichbar, wenn auch weniger ausgeprägt. Die Daten legen nahe, dass Gene, die mit der Immunreaktion der Weinreben in Verbindung gebracht werden, bei den biodynamischen Weinreben stärker ausgeprägt sind als im konventionellen Weinbau. Blätter der konventionellen Weinreben wiesen mehr Chlorophyll auf, diejenigen der biodynamischen Weinreben mehr Stoffe, die antioxidative Eigenschaften haben, wie zum Beispiel Flavonole.
Im Jahr 2016 herrschten günstige Wetterbedingungen für den Weinbau. Für dieses Jahr zeigten sich beim Schnittgewicht keine deutlichen Unterschiede zwischen der biodynamischen und der konventionellen Anbaumethode. Im Jahr 2017, welches von Trockenstress geprägt war, blieb das Schnittgewicht der biodynamisch angebauten Reben gleich, während dasjenige der konventionell angebauten Weinreben deutlich sank. Laut den Forscher:innen hat eine erhöhte Resistenz gegenüber klimatischem Stress die Energiereserven der Weinreben geschont und dadurch den Ertrag stabilisiert.
Abbildung 2: Schnittgewicht für konventionelle (schwarz) und biodynamische (grün) Weinreben in kg/Pflanze, dargestellt als Box-Plots. Die 3 Sterne (***) stehen für eine hohe statistische Signifikanz (Wilcoxon-Mann-Whitney-Test, P≤0.0001).
Fazit:
Trotz Korrelationen konnte keine eindeutige Kausalität zwischen den biodynamischen Präparaten und den beobachteten Pflanzenreaktionen festgestellt werden. Sowohl die Zusammensetzung als auch die Wirkung der Präparate wurde noch nicht gut genug untersucht und verstanden, daher sind sie bei vielen Weinbauern noch immer umstritten. Das komplexe Zusammenwirken unterschiedlicher Faktoren erschwert es zudem, Aussagen aus holistischen Studien zu treffen.
Da für diese Studie biologische Anbaumethoden nicht berücksichtigt wurden, ist nicht auszuschliessen, dass die Beobachtungen bezüglich der biodynamischen Methode auch auf den biologischen Anbau zutreffen würden. Zwischen dem biodynamischen und dem konventionellen Weinbau lassen sich Unterschiede feststellen. Die Forscher:innen sprechen dabei von einer «biodynamisch-spezifischen Reaktion auf klimatische und pathogene Faktoren». Eine Zusammenarbeit unterschiedlicher Akteure im Rahmen einer partizipativen Forschung kann helfen, die ökologischen und gesundheitlichen Auswirkungen des Weinbaus durch eine Optimierung der Pflegemassnahmen zu reduzieren.
Angaben zur Originalstudie:
Autor:innen: Soustre-Gacougnolle, I., Lollier, M., Schmitt, C. et al.
Titel: Responses to climatic and pathogen threats differ in biodynamic and conventional vines
Journal: Scientific Reports. Sci Rep 8, 16857 (2018).
Link (Open Access): https://doi.org/10.1038/s41598-018-35305-7