Die Sektion für Landwirtschaft und die Jugendsektion veranstalteten vom 11. bis 14. Februar 2021 die Jahrestagung zum Thema «Atmen mit der Klimakrise». Die digitale Tagung verband über 1200 Menschen aus 63 Ländern.
Die Bühne des Grossen Saals im Goetheanum wurde zum Sendestudio, die Südbühne zum Technikraum. Drei Profikameras waren Richtung Zuschauerraum auf die Vortragenden und Gesprächsteilnehmer*innen gerichtet, so wurden die farbigen Fenster des Saals zum Hintergrund der Übertragung. Ein nicht digitaler Teil der Tagung waren rund zehn regionale Präsenztagungen, zum Beispiel in Indien, China, Argentinien, Norwegen und Israel.
Durch die Zusammenarbeit vieler Disziplinen wurde der Blick auf die Klimakrise so umfassend wie selten. Landwirt*innen, Naturwissenschaftler*innen, Lehrkräfte, Ärztinnen und Ärzte sowie Kunstschaffende verbanden sich mit jungen Menschen und Biodynamiker*innen. Dadurch wurde erleb- und spürbar, dass die existenzielle Frage der durch den Menschen verursachten Klimakrise nur gemeinsam gelöst werden kann.
In 21 Arbeitsgruppen, den Future Labs in deutscher, englischer oder spanischer Sprache, behandelten Teilnehmende Fragen wie «Was ist die Rolle der Bildung in der Klimakrise?», «Soziale Dreigliederung als Weg durch die Klimakrise?» oder «Wie können wir mit der Erde Geschäfte machen?». Ein berührender Moment war, als Charles Eisenstein – in seinem aus den USA gehaltenen Vortrag – dazu aufforderte, die Erde als Lebewesen als realen Gedanken zu nehmen, weshalb jede kleine gärtnerische ökologische Arbeit wertvoll sei, weil sie die Erde fühlen lasse, man kümmere sich um sie.
In den Vorträgen von Anet Spengler, Ronja Eis und Ueli Hurter und in einer spontanen, von 140 Menschen besuchten Gesprächsrunde wurde die Bedeutung der Kuh für eine nachhaltige Klimawirtschaft diskutiert. Die Rinderhaltung zur Lebensmittelproduktion steht in der Mitte eines gesellschaftlichen Diskurses um Ernährungssicherheit und das Klima, gleichzeitig spielt die Kuh in der biodynamischen Landwirtschaft eine zentrale Rolle. Anet Spengler konnte aufzeigen, dass durch eine graslandbasierte Tierhaltung in Kombination mit einer Reduktion von Geflügel- und Schweinehaltung mehr Ackerfläche für die menschliche Ernährung zur Verfügung stehen würde. So kann die Rolle der Wiederkäuer für den Hoforganismus erhalten bleiben und gleichzeitig die wachsende Weltbevölkerung versorgt werden.
Der dynamische Charakter der digitalen Infrastruktur erlaubte das Einrichten spontaner Gesprächsräume. Constanza Kaliks schilderte, dass viele Teilnehmende diese direkten Gesprächsmöglichkeiten rege nutzten. So entstand nicht nur eine Verbindung zum Goetheanum, sondern auch weltweit untereinander. Das betraf auch Menschen, die es sich – unabhängig von den Coronaeinschränkungen – wirtschaftlich nicht leisten können, zum Goetheanum zu reisen. Angesichts der digitalen Begegnungsformen, so Kaliks, müsse die physische Begegnung einen neuen, höheren Wert bekommen.
Ueli Hurter beschrieb, dass es auch über das digitale Medium möglich war, eine spirituelle Atmosphäre herzustellen, und eine Teilnehmerin aus China bestätigt das in ihrer Rückmeldung: «Obwohl die Tagung vorbei ist […], wandern und ‹fliegen› die starke Aura, die Energie, die Liebe, die Leidenschaft, das Mitgefühl und die Weisheit aller Teilnehmenden, Kunstschaffenden, Redner*innen und Organisator*innen noch immer durch die Welt. Sie geben uns den Mut zu Erforschung, Praxis, Selbstreflexion und Schöpfung. Der ätherische Leib der Konferenz wird weiter wachsen und durch uns mehr Menschen beeinflussen.»
«Wenn wir die Erde als lebendiges Wesen begreifen und den Blick ‹vom Boden zum Himmel› weiten, werden Landwirt*innen zu Klimawirt*innen – und jeder Mensch entdeckt die Möglichkeit, selbst aktiv zu werden», fasst Lin Bautze von der Sektion für Landwirtschaft die vielleicht umfassendste Aufgabe in Worte, die die Tagung allen mit auf dem Weg gab.
Verena Wahl
Mit Texten aus «Anthroposophie Weltweit» 3/21 (Sebastian Jüngel) und «Das Goetheanum» 9/21 (Wolfgang Held)