Zur BIOFACH, der jährlich in Nürnberg stattfindenden Weltleitmesse für Biolebensmittel, pilgerten vom 12. bis 15. Februar 2020 47.000 Fachbesucher nach Deutschland. Jedes Jahr wird die Messe grösser, immer mehr Messehallen werden belegt, in diesem Jahr mit der Rekordzahl von fast 3.800 Ausstellern. Die BIOFACHist ein globaler Branchentreff und gleichzeitig eine Wissensplattform. Hier werden Geschäfte gemacht, Neues präsentiert, es wird Wissen geteilt, diskutiert und Menschen vernetzen sich.
Nürnberg nennt sich Biometropole und hat sich zu einer freundlichen Stadt gemausert, die sich für Bio engagiert. So werden 85 Prozent der städtischen Kinder- und Schuleinrichtungen mit Biolebensmitteln verpflegt. Die Stadt «verstoffwechselt» die vielen Besucher_innen aus 110 Ländern ziemlich professionell. Selbst in der U-Bahn kommt vom Fahrer mal ein lockerer Spruch durch die Lautsprecher.
Mit dem diesjährigen Motto «Bio wirkt» will die Messe unterstreichen, dass Bio Lösungsansätze für viele drängende Zukunftsfragen anbietet. Jane Goodall, die bekannte Primatenforscherin, die inzwischen eine betagte, ehrwürdige Dame ist, hielt die Eröffnungsrede. Besucher, die sie gehört hatten, waren berührt von ihren Worten: «Wie bizarr ist es, dass das intelligenteste Wesen auf Erden seine eigene Lebensgrundlage zerstört.» Sie zeigte die heutige Realität mit den Umweltproblemen, dem Artensterben und dem Klimawandel auf, um dann zu kommentieren: «This has to stop.» Belohnt wurde sie mit Standing Ovations.
Das Gastland Italien fiel durch einen hervorragenden Demeter-Auftritt auf. Und immer wieder war zu hören, dass es gutes Essen und gute Stimmung gebe.
Der Demeter-Marktplatz, schon seit Jahren eine feste Konstante in Halle 7, war sehr stark frequentiert, hier wurden interessante Demeter-Produkte von Kosmetik bis Saatgut gezeigt. Außerdem ist dies stets ein guter Treffpunkt für Verabredungen oder für spontane Begegnungen mit Freundinnen und Bekannten.
Ein grosses Thema auf der Messe war Verpackung, insbesondere umweltfreundliche, plastikfreie Verpackung für allerlei Produkte wie auch für «Food to go».
Ein Verpackungsmaterial aus Polymilchsäure beispielsweise ist in den unterschiedlichsten Formen und Farben verarbeitbar und sieht aus wie herkömmliche Verpackung. Hier wird mit dem Slogan «be part of the solution not the pollution» (sei Teil der Lösung, nicht der Verschmutzung) geworben.
Das Beutelchen für Gewürze, das sich anfühlt wie Plastik und aus Unkenntnis auch aus dem Biomüll aussortiert wird, ist eigentlich aus einem Holzfasermaterial, das kompostierbar ist.
Strohhalme, genauer gesagt Trinkhalme, aus Glas in verschiedenen Farben sehen sogar edel aus. Alternativ gibt es Trinkhalme aus glutenfreiem Pastateig – ob man die Pasta nach dem Gebrauch kochen und essen kann, wurde nicht vorgeführt.
Quetschbeutel mit Fruchtsäften für Kinder, die wegen des vermeintlichen Plastikmülls immer schräg angeschaut werden, präsentierten sich als «Freche Freunde»; die Verpackung mit weniger Plastik enthält weder Aluminium noch Weichmacher.
Unverpacktläden haben bereits einen Verband gegründet, der sich und seine Dienste vorstellte.
Veganes war auf der BIOFACH 2020 zwar sehr präsent, ist aber nicht mehr das ganz prominente Thema. Vegane Joghurts gibt es in verschiedenen Geschmacksrichtungen, wie auch ein Zaziki auf Mandelmilchbasis. Beim Rennen um das Neuprodukt des Jahres ging sogar ein veganes Ghee aus Kakaobutter und Olivenöl an den Start.
Auf genügend Proteine scheint man vermehrt achten zu sollen, oder zu wollen. Jedenfalls ist dies ein Produktsegment, mit dem sich Käufer gewinnen lassen. Dabei helfen Mandelproteinpulver und Proteinaufstriche auf Hülsenfruchtbasis, genauer gesagt aus Soja mit Kokos-Mandel-, Kakao-Nuss- oder Pflaume-Zimt-Geschmack.
Karl von Koerber von der Arbeitsgruppe Nachhaltige Ernährung e. V. stellte den Abschlussbericht seines SDG-Projektes Nachhaltige Ernährung vor. Hier geht es darum, wie die Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen (SDGs, sustainable development goals) durch Ernährung und das Ernährungssystem unterstützt und sogar erreicht werden können. Von Koerber kommentierte in seinem Vortrag, dass vegane Ernährung in diesem Sinn nicht besonders nachhaltig sei, also nicht wesentlich zum Klimawandel und zu einer gesunden Zukunft für Mensch und Erde beitrage, weil für die gesunde Zukunft und zum Binden von CO2 Grünland benötigt werde. Das Grünland muss von Tieren beweidet werden, am besten von Wiederkäuern. Wenn es biologisch gehaltene Tiere sind und keine importierten Futtermittel an sie verfüttert werden, kann sogar der Sonntagsbraten mit gutem Gewissen verzehrt werden. Eine interessante Facette innerhalb der zahlreichen Ergebnisse des Projektes.
Convenience-Produkte spielten ebenfalls eine Rolle auf der Messe und finden offenbar ihre Abnehmer – vielleicht sind Verbraucher_innen, die das Kochen nicht mehr gelernt haben oder wenig Zeit für die Zubereitung von gesunden, ökologischen Mahlzeiten haben, sogar froh darüber. Für sie gibt es die Currywurst in Soße aus dem Glas, eine in Estland zubereitete Hühnerbrühe oder die Rotweinsoße zum Aufwärmen fix und fertig aus dem Beutel. Extrem wird der Convenience-Grad beim Instanttee, der als Schwarz- bzw. Grüntee in Portionstütchen angepriesen wird.
Die vegetarischen Bällchen, die man früher Bratlinge nannte, gibt es in immer neuen Geschmacksvarianten wie zum Beispiel Hanf-Süsskartoffel.
Überhaupt findet man CBD Hanf (CBD (Cannabidiol), ein nicht psychoaktives Cannabinoid aus der Hanfpflanze) als Tee oder auch dessen Öl für die Haut. Es ist zu vermuten, dass im nächsten Jahr CBD Hanfprodukte als Trend angeboten werden.
Bananenblüten im Glas oder in der Dose sollen wie Artischockenherzen schmecken, die soja- und glutenfrei Auslobung passt zum allgemeinen Trend; dabei könnte man sich allerdings fragen, woher Soja bei den Bananenblüten kommen sollte. Eine weitere Kuriosität sind die Nudeln aus gekeimtem Getreide, sie seien besonders vital.
Messestände, die leckere Dinge zum Verkosten anboten, waren wie immer gut besucht. Als Kontrast fand man auch andere Messestände, die an kleine weisse Boxen erinnerten: ein Tisch mit vier Stühlen drin und vielleicht an der Trennwand ein Firmenplakat aufgehängt, dazu ein Herr, der eifrig am Handy tippte und auf Kundschaft zu warten schien. Anbieter mit nur einem Produkt, wie zum Beispiel Aloe-vera-Blätter oder Olivenöl, erhoffen sich so Handelsbeziehungen von der Messe.
Es gab Besucher_innen, die Alkoholika wie Wodka, Whiskey oder Gin verkosteten und sich intensiv beraten liessen. Und solche, die die ruhige, helle Atmosphäre in der VIVANESS Halle, der Halle für Naturkosmetik, genossen.
Die VIVANESS, seit Jahren die kleine Schwester der BIOFACH, wird ebenfalls immer grösser. Hier wird zunehmend Wert auf zertifizierte Produkte gelegt. Der deutlichste Trend 2020 waren Seifen. Nicht nur schnöde Handseifen, sondern feste Shampoo-Seifen und Seifen für die Dusche. Seife mit Lavendel und Seife mit Blütenblättern dekoriert. Seife als Dreieck und Seife als Praliné. Auch Seife mit Kölsch, einem typischen Kölner Bier, ist im Angebot. Natürlich überzeugen Seifen die umwelt- und klimabewussten Verbraucher_innen, weil man einerseits in der Herstellung keine Emulgatoren, Konsistenzgeber und andere Hilfsstoffe braucht und weil andererseits leicht auf die Plastikverpackung verzichtet werden kann. Ein Start-up nennt sich und seine Seifen sogar Terrorists of beauty, denn die Blockseifen für Haar, Gesicht und Körper «verändern die Welt mit jeder Dusche».
Das Konferenzprogramm wird von Jahr zu Jahr vielfältiger und hochkarätiger. Für die Biofach und die VIVANESS finden jeweils separate Vorträge und Veranstaltungen statt. Zusätzlich gibt es Foren für den Fachhandel sowie Erlebniswelten für Wein, Olivenöl und Veganes mit Podiumsdiskussionen und auch Show-Cooking. Beim Treffpunkt Generation Zukunft werden ein Karrieretreff angeboten sowie ein Forschungspreis für die Biolebensmittelwirtschaft verliehen.
Das große Angebot an Produkten, die Vielfalt der Themen und die vielen Begegnungen und Gespräche, die immer wieder möglich sind, machen die Messe zu einem reichen Event, das man nicht missen möchte. Auch in dieser Hinsicht kann man sagen: «Bio wirkt», und denkt sich: «nach der Messe ist vor der Messe».
Jasmin Peschke