Die Bienen, Schöpferinnen von Beziehungen
Die Tagungen 2011-12-13 stellten eine Trilogie dar, die darauf zielten neue Formen der dialogischen Forschung zu erlernen (Von Brennpunkten zu Leuchtpunkten), um uns neu zu impulsieren (Vorwärts zu den Quellen) und um den biodynamischen Impuls vermehrt in die Zivilgesellschaft einbringen zu können (Allianzen für unsere Erde). Nun schlägt die Sektion für Landwirtschaft am Goetheanum für das neue Arbeitsjahr vor, einen neuen Themenbogen zu beginnen. Einerseits soll dieser sich näher an der landwirtschaftlichen Praxis mit Boden, Pflanzen und Tieren orientieren. Andererseits soll das durchgehende Leitmotiv die Frage sein «Wie gewinne ich innere Sicherheit?», um im Umgang mit den Lebewesen auf dem Hof nicht von Autoritäten jedwelcher Art abhängig zu sein. In diesem Rahmen schlagen wir als neues Jahresthema vor:
Die Bienen, Schöpferinnen von Beziehungen. Dieses Thema ist brandaktuell und auch noch mit dem Thema der Allianzbildung verbunden.
Das Bienensterben war und ist für sehr viele Menschen ein Schock. Weit über die praktischen Probleme und die betroffenen Kreise von Imkern und Landwirten hinaus, sind wir als Zeitgenossen betroffen und schrecken auf, weil eines der tiefsten Symbole unserer Landwirtschaft, die Biene, unser einziges domestiziertes Insekt, tödlich betroffen ist. In den letzten Jahren sind die Bienen für sehr viele Menschen ein Motiv geworden sich in neue Initiativgemeinschaften einzubringen, begleitet von einer ganzen Welle von Artikeln, Büchern und Filmen zu dem Thema Bienen. Dieses Insekt ist wie ein Fokus geworden, das uns auf die Schwächung der Lebenswelt hinweist.
Einst Priesterinnen – Melissa war eine Priesterin in Ephesus – sind die Bienen zu Maschinen zwecks Honigproduktion und Bestäubung reduziert worden. Von der Allgegenwärtigkeit auf jedem Hof ist die Biene im Zuge der Industrialisierung der Landwirtschaft und der Imkerei aus vielen Landschaften verschwunden.
1923 sprach Rudolf Steiner von der Gefahr des Bienensterbens im Zuge der Technisierung der Imkerei, zum Beispiel der künstlichen Königinnenzucht. Entsprechend hat er viele Hinweise gegeben für eine wesensgemässe Bienenhaltung. Im Landwirtschaftlichen Kurs spricht er von der Wichtigkeit des Insektenlebens auf dem Hof als notwendigem Ausgleichspol zum vegetativen Leben der Pflanzen, indem die Insekten die notwendige Astralität für das Blühen und Fruchtbilden zu den Pflanzen bringen.
Von praktischen Fragen der Imkerei mit den vielen professionellen Herangehensweisen der Demeter-Imkerei bis zum Platz der Biene in den Traditionen und in der Symbolik und über die Produkte der Bienen, eröffnet dieses Thema ein breites Feld für forschendes Fragen und interdisziplinären Austausch. Folgende Fragen können Leitlinien fu?r die vorbereitende Beschäftigung mit dem Thema sein:
Wie kann man die Natur der Biene und ihre Rolle im landwirtschaftlichen Organismus verstehen?
- Welches sind Elemente einer wesensgemässen Bienenhaltung?
- Kann man die Landschaft eines Hofes so gestalten, dass die Bienen und andere bestäubende Insekten das ganze Jahr Nahrung finden?
- Wie können Allianzen zwischen den Höfen, den Imkern und den Konsumenten gebildet werden, damit jeder Hof seine Bienen hat?
Die Bienen faszinieren uns als soziale Tiere mit den Gesten des Gebens, des Opferns und ihrem Altruismus, mit denen sie uns Motive einer Zukunftsgesellschaft zeigen. Wie können wir diese Motive verstehen und uns davon für unser soziales Leben inspirieren lassen? Welche Rolle können die Bienen in der Pädagogik, der Therapie und der Kunst spielen?
Dann gilt es auch auf den grossen Reichtum der wertvollen Substanzen zu schauen, die die Bienen uns zur Verfügung stellen: Der Honig, das Wachs, die Propolis, das Bienengift usw. Wie können diese Substanzen und ihre Verwendung in der Ernährung und der Medizin verstanden werden?
Diese Anregungen, die sicher nicht vollständig sind, wollen eine Orientierung für das Jahresthema sein, das im weitesten Sinne die Bienen und die Insekten umfasst und alle Möglichkeiten von Beziehungen mit der Landwirtschaft, der Landschaft, der Geschichte und dem Menschen, die von ihnen ausgehen. Durch die Vertiefung dieses Themas mit einem transdisziplinären Ansatz hoffen wir dazu beitragen zu können, den Bienen einen Platz im Herzen unserer Höfe und unserer Landschaften zurückgeben zu können.
Der Leitsatzbrief, der das Jahresthema begleiten soll, lautet in diesem Jahr: „Die Freiheit des Menschen und das Michael-Zeitalter“ (Rudolf Steiner, Anthroposophische Leitsätze, GA 26).
Bücher zum Thema:
- Rudolf Steiner (1923) „Die Welt der Bienen“ Hg. Martin Dettli, Rudolf Steiner Verlag 2010
- Michael Weiler „Der Mensch und die Bienen“ Verlag Lebendige Erde 2000
- Matthias K. Thun „Die Biene – Haltung und Pflege“ Thun Verlag 2000, 5. Auflage
- Bu?cher zur Praxis: Matthias Lehnherr „Das Imkerbuch“ Aristaios Verlag 2004 Erhard Maria Klein „Die Bienenkiste“ 2012
Im Rundbrief der Sektion, der zweimal pro Jahr erscheint (erhältlich auf Anfrage bei der Sektion für Landwirtschaft) wird dieses Jahresthema in verschiedenen Beiträgen vertieft werden. Es bildet die Grundlage für das Thema der Tagung 2014 (der Tagungstitel weicht in der Regel etwas von der Formulierung des Jahresthemas ab), die vom 5. bis 8. Februar 2014 am Goetheanum in Dornach stattfindet.