Neuer Buchtitel
Der Titel des Buches wurde geändert und es heisst jetzt so, wie es im allgemeinen Sprachgebrauch immer genannt wurde:
LANDWIRTSCHAFTLICHER KURS
Geisteswissenschaftliche Grundlagen zum Gedeihen der Landwirtschaft
Die Herausgeber
Die neunte Auflage wurde grundlegend neu bearbeitet. Herausgeber sind Hans-Christian Zehnter, Rudolf Isler, Ueli Hurter, Martin von Mackensen und Albrecht Römer.
Ein besonderer Glücksfall
Stenogrammnachschriften von Lili Kolisko, die während des Kurses in Koberwitz und in Breslau anwesend war, konnten neu in Reinschrift übertragen werden. Dadurch ergaben sich Textvarianten, Verbesserungen und Ergänzungen. Besonders wichtig sind bruchstückhafte Notizen über eine Besprechung der Landwirte, wahrscheinlich am 8. Juni 1924 in Breslau, in der Carl Graf von Keyserlingk und Ernst Stegemann aneinandergerieten. Trotz dieses Zwischenfalls kam eine Resolution zustande, in der die anwesenden Landwirte einen Versuchsring und eine Arbeitsgruppe gründeten. Diese Resolution wurde am Vormittag des 11. Juni 1924 in Koberwitz durch von Keyserlingk vorgelesen und kommentiert. Ihr Wortlaut ist im neu entzifferten Stenogramm von Kolisko enthalten und erscheint neben den bruchstückhaften Gesprächsnotizen in der neuen Auflage zum ersten Mal im Druck. Anschliessend folgte die Ansprache Rudolf Steiners, die schon in den früheren Ausgaben des «Landwirtschaftlichen Kurses» enthalten war. Nach der Ansprache hielt Steiner den dritten Vortrag, in dem er auf das in der Ansprache Gesagte Bezug nahm.
Weitere bisher fehlende Passagen
In der zweiten Fragenbeantwortung vom 13. Juni 1924 fehlte bisher eine längere Passage über Vergrösserungen durch das Mikroskop, die sowohl im Typoskript als auch bei Kolisko überliefert ist. Steiner kritisierte die Meinung, man könne Dinge beurteilen, wenn man sie stark vergrössere.
Eine Diskussion über Korkstöpsel, die im Typoskript überliefert ist, fehlte bisher ebenfalls. Der Botaniker Alfred Usteri wollte wissen, ob man Stöpsel, die aus der Rinde der Korkeiche stammen und leicht zu beschaffen sind, für das Eichenrindepräparat verwenden könne. Steiner lehnte dies ab; er hatte ja präzisiert, dass es die Rinde der Stieleiche (Quercus robur) sein müsse. Nach dem Kurs gab es allerdings darüber Unsicherheiten. In einer Fragenliste heisst es, Steiner habe Quercus rubra gesagt. Diese, die Roteiche, ist im östlichen Nordamerika zu Hause, wurde aber in Europa als Parkbaum und auch in Wäldern angepflanzt. Bei Kolisko steht Quercus rubor (anstatt robur?). Rudolf Steiner selbst notierte sich «Quercus Robur» [sic] (Notizzettel 3623 im Anhang von GA 327).
Keine Bekämpfung von Kleinlebewesen
Weitere wichtige Änderungen ergaben sich aufgrund der Stenogramme von Kolisko, in denen die ersten vier Vorträge leider immer noch fehlen. Es sind uns nur bruchstückhafte Notizen über den ersten und zweiten Vortrag und den Anfang des dritten Vortrags zugänglich geworden. Im fünften Vortrag hiess es bis zur achten Auflage, im Dünger habe die Pflanzung und Züchtung von Kleinlebewesen (Bakterien etc.) keine Bedeutung, eher schon ihre Bekämpfung. Bei Kolisko steht dagegen, dass auch die Bekämpfung abzulehnen sei.
«Freiwillig wie den Regen»
Bis zur achten Auflage hiess es, der Himmel gebe Kieselsäure, Blei, Quecksilber und Arsen freiwillig «mit dem Regen». Kolisko notierte dagegen «wie den Regen».
Erfrischend oder auffrischend?
Vom Schafgarbenpräparat steht im Text, es wirke «erfrischend». Bei Kolisko heisst es «auffrischend». Dieses Wort bedeutet so viel wie erneuernd, wiederherstellend.
Umfangreiche Anmerkungen und Nachweise aller Textvarianten
Von der ersten bis zur achten Auflage hatten die früheren Herausgeber eine grosse Zahl von Textkorrekturen und Zusätzen eingefügt. Diese wurden aber nur zu einem kleinen Teil dokumentiert. In der neuen neunten Auflage werden alle Änderungen gegenüber der achten Auflage durch eckige Klammern sichtbar gemacht und in den Hinweisen erläutert. Dadurch und durch weitere Hinweise kann man die Textveränderungen bis zur ersten Auflage zurückverfolgen. Der Leser wird so in die Lage versetzt, sich über die zahlreichen Textvarianten selbst ein Urteil zu bilden. Es gibt mehrere vertraute Textstellen, die wir bisher so hingenommen haben, wie sie dastanden, von denen wir aber jetzt aufgrund genauer Prüfung der vorhandenen Quellen wissen, dass sie unsicher oder sogar falsch waren. Anderseits gibt es Textstellen, die wir bisher für zweifelhaft halten konnten, weil sie nicht leicht verständlich sind, von denen wir aber jetzt aufgrund der Quellen annehmen müssen, dass sie richtig überliefert worden sind. Es gibt sehr viele kleine Textverbesserungen, die hier nicht erwähnt werden, die aber für das genaue Studium der Vorträge wichtig sind. Die Anmerkungen und Hinweise zu Personen, Inhalten und unklaren Textstellen sind in der neuen Auflage stark erweitert.
Kosmisch-qualitativ oder kosmisch-quantitativ?
Am Ende des zweiten Vortrags erklärte Steiner, es ergebe sich in jeder landwirtschaftlichen Individualität von selbst, wie viele Tiere und welche Tierarten zu ihr gehören, welche Pflanzen sie fressen und wie viel Mist sie geben. Dies nennt er eine kosmisch-qualitative Analyse. So steht es im Text des Buches. Nun wurden aber Notizen von Kolisko gefunden, in denen sie den Begriff «kosmisch-quantitative Analyse» überliefert. Kosmisch bedeutet, dass es sich um eine Analyse auf der ätherisch-geistigen Ebene, im Bereich der Lebensverhältnisse handelt; dabei kann es um die Qualität des Futters und des Düngers gehen. Oder es geht darum, dass sich durch diese Analyse die Menge der zum Betrieb passenden Tiere herausstellt. So können wir beide Überlieferungen für möglich und sinnvoll halten.
Sternzeichen oder Sternbild?
Im sechsten Vortrag sprach Steiner von den Zeichen des Skorpions und des Stiers. Es ist aber aus seinen genaueren Angaben klar, dass er nicht die astrologischen Sternzeichen meinte, sondern die real am Himmel sichtbaren Sternbilder. In der dritten Fragenbeantwortung am gleichen Tag, dem 14. Juni 1924, sagte er: «Die Konstellation der Venus mit dem Skorpion ist so zu verstehen, dass jede Konstellation mit der Venus in Betracht kommt, wo die Venus am Himmel zu sehen ist und hinter ihr das Sternbild des Skorpions. Die Venus muss hinter der Sonne stehen.» Diese Konstellation bezeichnete er auch als «Hochkonjunktion von Venus und Skorpion» und meinte wohl damit die sogenannte obere Konjunktion, in der die Venus hinter der Sonne steht.
Direkte und indirekte Wirkungen der Planeten
Zwischen dem zweiten und dem sechsten Vortrag gibt es einen Widerspruch, auf den die Herausgeber der neuen Auflage aufmerksam machen, ohne die damit verbundenen Probleme eindeutig lösen zu können. Im zweiten Vortrag heisst es, der Mond und die nahen Planeten Merkur und Venus wirken zusammen mit der Sonne direkt auf die oberirdische Pflanze, die fernen Planeten Mars, Jupiter und Saturn dagegen wirken mit der Sonne auf dem Umweg über die Erde. Im sechsten Vortrag ist es genau umgekehrt: Die fernen Planeten wirken direkt auf die oberirdische Pflanze und der Mond wirkt mit den nahen Planeten Merkur und Venus indirekt auf dem Umweg über den Erdboden. Die wichtigen Aussagen über die Wirkungen des Mondes und der Planeten auf die Pflanzen werden durch diesen Widerspruch allerdings nicht beeinträchtigt!
Wie finden die Wurzeln die richtige Salzmenge?
Im achten Vortrag heisst es: «Sehen wir uns die Wurzel an: die Wurzel, die in der Regel in der Erde sich drinnen entwickelt, die durch den Dünger von einer werdenden Ich-Kraft durchzogen ist; sie absorbiert die werdende Ich-Kraft durch die ganze Art, wie sie in der Erde drinnen ist, und wird unterstützt im Absorbieren dieser Ich-Kraft, wenn die richtige Salzmenge von ihr gefunden werden kann in der Erde.» Zunächst könnte man denken, dass hier Ursache und Wirkung vertauscht sind und dass man den Sinn korrigieren kann, wenn man das Wort «wenn» durch «dass» ersetzt. Aber auch im Stenogramm von Kolisko heisst es eindeutig «wenn». Statt den Satz zu ändern, müssen wir uns überlegen, wie die Wurzel die richtige Salzmenge finden kann. Es kann sich nicht darum handeln, dass die Salze durch Mineraldünger in den Boden gebracht werden müssen. Wir müssen eher daran denken, dass im Sinne des fünften Vortrags die Präparate den Pflanzen die Kraft verleihen, die Stoffe, die sie brauchen, selbst zu finden. So werden wir durch die genaue Prüfung des Textes aufgefordert, die Aussage auf andere Weise als zunächst vermutet zu verstehen.
Anhänge
Der Band enthält farbige Reproduktionen der Wandtafeln, neu aufgefundene Notizblätter Steiners, Auszüge aus der Jugendansprache, die am 17. Juni 1924 in Koberwitz gehalten wurde, ein ausführliches Sachwortregister und vieles mehr.