Eine Rückschau auf 99 Jahre «Koberwitzer Impuls»
Im Jahr 2024 schauen wir auf 100 Jahre zurück, seit der Landwirtschaftliche Kurs als Geburtsstunde des biodynamischen Impulses gehalten wurde. Die Landwirtschaftliche Tagung im Jubiläumsjahr 2024 soll sich ganz konzentrieren auf die Inhalte des Kurses, auf die grossen und tiefen Bilder, die uns inspirieren, als Arbeitstitel steht «Der Mensch wird zur Grundlage gemacht». Eine Rückschau aber soll sein – diese ist für die Tagung 2023 geplant – und eine Vorschau in die Zukunft für 2025. So kommen wir zu einer Trilogie von Jahres- und Tagungsthemen rund um das 100-jährige Jubiläum: Rückblick 2023, Gegenwart des Impulses 2024, Zukunftsblick 2025.
Wir wollen mit dem Jahresthema 22/23 und der Tagung 2023 also zurückblicken, um die Erneuerungskräfte zu stärken. Am direktesten ist, man fragt sich selbst: Wo komme ich her? Wie bin ich zur Landwirtschaft gekommen? Was war das zündende Erlebnis in meiner Biografie, das mich zur Biodynamik gebracht hat? Welche Person hat so zu mir gesprochen, dass es für mich als ein Ruf zur Arbeit an der Erde gewirkt hat? Und von wem hatte diese die Fackel gereicht bekommen? Findet man vielleicht auf diesem Weg zurück sogar eine direkte Verbindung zu den Teilnehmenden am Landwirtschaftlichen Kurs?
Diese Art von Rückschau kann man auch für sein Land machen: Wie kam der Impuls in mein Land, wie hat er sich entwickelt? Wie weit geht die Geschichte des Vereines zurück, in dem ich aktiv bin, wie weit diejenige der regionalen Arbeitsgruppe? Wer gründete Demeter? Mit wem hat Rudolf Steiner die assoziative Wirtschaft entwickelt? Wie ist es mit der Forschung, geht ihre Sukzession zurück bis zum Kurs, oder waren die Anfänge schon früher? Wen treffen wir an bei der Rückschau in der Ernährungsfrage? Welche Phasen sind durchlaufen worden in der öffentlichen Wirksamkeit?
Dies kann mich zur Frage führen: Wie ist die geistige Quellkraft des Biodynamischen in den unzähligen Menschen, die all das geschaffen haben, lebendig geblieben? Welche Zugänge zu den Quellen haben sie gepflegt? Und schliesslich: Wie kann ich mich selbst davon inspirieren lassen? Welches ist mein Weg des Zugangs zur Quelle des Biodynamischen und wie pflege ich ihn? Wie sehe ich meinen eigenen Beitrag zur Weiterentwicklung des biodynamischen Impulses?
Eine Rückschau auf die Kulturentwicklung der Landwirtschaft
Die Landwirtschaft hat aber nicht mit dem Landwirtschaftlichen Kurs angefangen. Sie ist viel älter und es lohnt sich, den biodynamischen Impuls in der Gesamtsituation zu kontextualisieren. Wie hat sich die Landwirtschaft über die Jahrhunderte oder sogar Jahrtausende entwickelt? Wir können aus der Geschichte lernen, dass sie einerseits ein mühsames Geschäft im Kampf mit den Unbilden der Natur und in Knechtschaft der Obrigkeit gewesen ist. Wir können aber auch lernen, dass sie andererseits die Natur kultiviert durch die Domestikation der Tiere, die Züchtung der Pflanzen, die Herausbildung von fruchtbaren Böden; dass sie die Kulturlandschaften schafft mit regional ausgeglichenen Klimata. Wir können zutiefst angesprochen werden in unserem Innern, wenn wir uns verbinden mit der Vielfalt der Landwirtschaftsimpulse aus allen Zeiten: so zum Beispiel mit indigenen Praktiken einer intimen Partnerschaft mit der Natur, mit dem Umgang mit den heiligen Kühen in Indien, mit der Saatgutpflege des Weizens über viele Generationen, ausgehend von Vorderasien, oder der Entwicklung des Anbaus von Milpa – Mais, Bohnen und Kürbis – seit den südamerikanischen Hochkulturen bis heute. Wir lernen, dass es in diesem Gang immer wieder Phasen der Selbstbestimmung, der gesellschaftlichen Mitgestaltung, ja, sogar der Trägerschaft des Kulturfortschrittes für die Landwirtschaft gegeben hat. Die Phasen einer gesunden landwirtschaftlichen Entwicklung waren immer kulturell inspiriert und die Kulturentwicklung ihrerseits war inspiriert und getragen von der Landwirtschaft.
So erkennen wir nach und nach in der – teilweise äusserst spannenden – Geschichte der Landwirtschaft die elementare Grundfrage: Was haben Mensch und Erde miteinander zu tun? Was bedeutet unser Verhältnis zur Erde in den verschiedenen geschichtlichen Etappen für unser Menschsein und unser Menschwerden? Diese bewusstseinsgeschichtliche Perspektive auf die Evolution der Landwirtschaft kann uns schliesslich Ahnung und Ideen eröffnen, an welchem Punkt wir heute stehen, ja, an welchem Punkt ich selbst stehe, und welche evolutiven Aufgaben uns – als gesamter Bewegung – heute und in nächster Zukunft wohl gestellt sind.
Auf der Tagung 2023 wird der Michaelbrief «Die menschliche Seelenverfassung vor dem Anbruch des Michael-Zeitalters» gelesen und bearbeitet (Rudolf Steiner: Anthroposophische Leitsätze, GA 26).
PDF: Evolutive Landwirtschaft – Ein Rückblick als Vorblick auf 100 Jahre Biodynamik