Buchbesprechung von Engelhard Troll
Riesige Waldbrände, gewaltige Überflutungen, anhaltende Dürre, neue Krankheitserreger, Artensterben; so äußert sich das Leben der Natur zurzeit. Und was macht der Mensch? Fliegt zum Mond, taucht zu untergegangenen Schiffswracks, findet es wichtig, Kriege zu führen, baut immer mehr Waffen und spaltet die Gesellschaften. Er schafft auf digitaler Grundlage eine riesige neue künstliche Welt und lebt in der paradoxen Illusion, darin das ewige Leben zu finden (Transhumanismus).
Albrecht Schad hat seine vielfältigen Ergebnisse in Biologie, Geografie, Chemie und von vielen Forschungsreisen in einem Buch zusammengefasst, das er im Untertitel «eine Liebeserklärung an unseren Heimatplaneten» nennt. Das ist ein neuer Ton in der Umweltdebatte. Doch auch von anderen prominenten Umweltexpert:innen ist zu hören: Alleine mit Technologie werden wir die Probleme nicht in den Griff bekommen, das Leben der Erde zu erhalten, so Charles Eisenstein. Albrecht Schad ist Naturwissenschaftler, promoviert und habilitiert an der Freien Hochschule in Stuttgart. Er steht dafür ein, dass wissenschaftlicher Erfolg nicht mit Gefühlskälte, innerer Distanzierung verbunden sein muß, dass im Gegenteil liebevolle Zuwendung, künstlerische Anschauung Ergebnisse nicht verfälscht, sondern erst die Tore zur Natur öffnen kann. Die Lilie am Wegesrand lebt von der Bewunderung durch den Menschen, sagte Rudolf Steiner, der in seiner Studentenzeit von dem Kräutersammler Felix Koguzki stark geprägt wurde.
Über mehrere Kapitel wird stufenweise an leicht nachvollziehbaren Phänomenen die Organismuseigenschaft der Welt, in der wir leben, aufgezeigt. Zunächst, wie Leben die Umwelt verändert und gestaltet. Rehe sichern durch Verbiss ihre Nah- rungsversorgung mit jungen Trieben und Blättern («Rehgarten»), Eichhörnchen pflanzen Bäume, in den «Feenkreisen» organisieren Gräser ihre Umwelt. Bekannt sind ja auch Ameisen- und Termitenvölker, die eigene Kulturen unterhalten.
In einem weiteren Schritt werden Qualitäten eines Organismus eruiert, anhand von Stoffkreisläufen wie der von Kohlenstoff und Wasser oder der Nährstofftransfer über die Athmosphäre von der Sahara zum brasilianischen Regenwald. Die Ausbildung autonomer Prozesse, wie der Kreislauf der Gesteinsmassen in der Tektonik, die Etablierung von Rhythmen, die Phänomene der Gestaltbildung (Morphologie), die Fähigkeit, eine konstante Temperatur zu halten, was sonst nur Vögel und Säugetiere handhaben können.
Ein eigenes Kapitel widmet sich dem sehr zugänglichen Bereich der Jahreszeiten und besonders dem Wettergeschehen. Friedrich Benesch sah in dem Gemeinplatz, über das Wetter zu reden, nicht etwa Small-Talk, sondern ein lebendiges Interesse am Seelenleben der Erde. Wie geht es ihr heute? Gerade das, was sich im metereologischen, atmosphärischen Geschehen zeigt, mit dieser Dramatisierung durch die Erderwärmung, sind Atmungs- und Pulsierungsprozesse.
So wird das Ziel des Autors erreicht, wenn das Leben der Erde nicht eine Floskel, eine Allegorie oder eine Überschrift bleibt, sondern zu einem tiefen Kennenlernen, zu einem in Beziehung-Treten führt, das sicher nicht ohne Folgen für unser Denken und Tun bleiben kann.