Nachhaltigkeitsentwicklungen in der Krise
Nach Jahrzehnten politischer Programme und wirtschaftlicher Strategien stecken die Bemühungen um nachhaltige Entwicklung in der Krise. Zwischen Greenwashing und globalen Klimaherausforderungen suchen Menschen weltweit nach einer tieferen Orientierung. Am World Goetheanum Forum 2025 in Sekem entstand ein neues Verständnis: Nachhaltige Entwicklung verbindet tatkräftiges Handeln mit innerer Schulung und Spiritualität.
Der Begriff «nachhaltige Entwicklung» ist heute überstrapaziert, unterdefiniert und oft missverstanden. Eigentlich stellt «nachhaltige Entwicklung» die Frage, wie Mensch und Erde sich gesund entwickeln können – eine Perspektive, die auch die biodynamische Landwirtschaft prägt. Nach Jahrzehnten institutionalisierter Nutzung und einem schlechten Ruf durch oberflächliche Programme wächst die Einsicht, dass innere und spirituelle Dimensionen in das Konzept integriert werden müssen, um nachhaltige Entwicklung als umfassende «Meta-Disziplin» zu verstehen.
2025 trat die sogenannte Zeitenwende ein: Ein geopolitischer Umbruch mit Aufrüstung und Fokus auf nationale Eigeninteressen veränderte die Weltordnung. Trotz langer Bemühungen um Menschenrechte und globales Verantwortungsbewusstsein – von WWF über Rachel Carson, Greenpeace bis zu den Berichten «Grenzen des Wachstums» und «Our Common Future» – scheint vieles, was Generationen aufgebaut haben, beiseitegeschoben. Für soziale, grüne und pazifistische Bewegungen war dies ein Schock, der zeigt, dass Strategien und Instrumente zur gesellschaftlichen Transformation neu ausgerichtet werden müssen.
Altes Konzept – neue Ansätze
Nachhaltige Entwicklung ist kein neues Konzept. Schon die antiken Griechen mahnten innere Entwicklung und Masshaltung, Alexander von Humboldt warnte vor der zerstörerischen Gier des Menschen, und Rudolf Steiner entwarf die Dreigliederung des sozialen Organismus: Freiheit im Geistesleben, Gerechtigkeit im Rechts- und Sozialleben und Brüderlichkeit im Wirtschaftsleben. Mit wachsender Weltbevölkerung und zunehmender Belastung der Erde wurden drei Hauptsäulen etabliert: ökologisch, sozial und wirtschaftlich. Die Leitidee lautet bis heute, die Bedürfnisse der Gegenwart zu befriedigen, ohne die Fähigkeit künftiger Generationen zu gefährden.
Die Sekem-Initiative in Ägypten ging einen Schritt weiter: Ibrahim und Helmy Abouleish entwickelten vier Säulen nachhaltiger Entwicklung, ergänzt um die soziale Dreigliederung nach Steiner. Ökologische Verantwortung, soziale Gerechtigkeit, kulturelle Freiheit und wirtschaftliche Solidarität bilden die Grundlage. Auf dieser Basis wurde Sekem nach fast fünf Jahrzehnten Pionierarbeit mit internationalen Umweltpreisen ausgezeichnet.
Ergänzung der spirituellen Dimension
Am World Goetheanum Forum 2025 wurde das Modell um eine spirituelle Dimension erweitert. Nachhaltige Entwicklung braucht ein inneres Leben, bewusste Schulung und eine spirituelle Verankerung. Die ökologische Säule wird nun als Fundament verstanden, auf dem soziale, kulturelle und wirtschaftliche Dimensionen aufbauen. Gleichzeitig wurden spirituelle und kosmische Quellen als zentrale Ebene ergänzt. Damit entsteht ein «angemessener Anthropozentrismus»: Der Mensch wird als Mitgestalter der Erde verstanden, die Erde als Schicksalssubstanz des Menschen. Nachhaltige Entwicklung wird so zur «Kunst des Werdens».
Bucherscheinung
Während des World Goetheanum Forums erschien das Buch «On the Earth We Want to Live – Anthroposophy’s Contributions to Sustainable Development». Über 75 Autor:innen, darunter Wissenschaftler:innen und Unternehmen, beleuchten darin die Rolle der Anthroposophie für nachhaltige Entwicklung und erarbeiten eine erweiterte Sicht, die innere und geistige Dimensionen konkret integriert. Herausgegeben wurde das Werk von Johannes Kronenberg und Edith Lammerts van Bueren bei Springer Nature.





