Gerne will ich meinen Ausgangspunkt zur Klima-Frage an dem 100-jährigen Gedenken des Landwirtschaftlichen Kurses nehmen. Es sind genau 100 Jahre. Wir haben heute den 15. Juni. Der Landwirtschaftliche Kurs ging vom 7. bis zum 16. Juni 1924. Wenn man also auf die Tage schaut, wurde heute vor 100 Jahren der siebte Vortrag gehalten. Wir haben hier nicht die Zeit, detailliert in den Inhalt des Kurses einzusteigen. Generell kann man aber sagen, dass es damals um die Frage ging, wie es dem Boden geht. Es war die Situation, dass man für die synthetischen Stickstoffverbindungen, die industriell als Explosionsstoffe für die Kriegswirtschaft entwickelt worden waren – der Krieg war noch nicht lange zu Ende –, einen neuen Absatzmarkt suchte, und so kamen sie nun in der Landwirtschaft zum Einsatz. Diese leicht löslichen mineralischen Stickstoffdünger, synthetisch in der Industrie hergestellt, kamen nun also auf die Höfe. Das war für die Böden und die Pflanzen aber eine absolute Schocktherapie. Niemand war darauf eingestellt, dass man den Pflanzen so einen starken Schub geben konnte, und es führte zu massiven Problemen in der Qualität der Produkte, bis hin zu Auswirkungen in der Tierhaltung in den Ställen. Dies war mit ein Ausgangspunkt, weshalb Landwirte Rudolf Steiner zur Zukunft der Landwirtschaft gefragt hatten: Sind diese neuen Düngemittel der Weg in die Zukunft oder gäbe es einen anderen Weg? So kam dieser Kurs unter anderem wegen der Sorge für die Qualität zustande. Diese Lage damals muss man im engeren Sinne auch historisch verstehen.
Die Antwort Rudolf Steiners – und das ist dasjenige, was uns geprägt hat in den ersten 100 Jahren danach – ist, dass es nicht um diesen Kurzschluss geht zwischen einer wässrigen Lösung und der Pflanzenwurzel, die diese durch den osmotischen Druck aufnehmen muss wie in einer Art Zwangsernährung, sondern dass man die Bodenfruchtbarkeit zu fördern versucht. Es geht darum, Bodenfruchtbarkeit zu erzeugen, wo zwischen der Pflanze und dem Boden die Sache harmonisch verläuft. Wo die Wurzel, wenn sie die Assimilate von oben bekommt, sich aus dem Lebendigen in den Bodenzusammenhang hineinstellt, sodass eine aktive Nährstoffmobilisierung geschieht. Die Arbeit an der Bodenfruchtbarkeit war also in den letzten 100 Jahren unser Leitstern gewesen. Die Verlebendigung des Bodens selbst ist unser Mantra. Von Klima war demgegenüber wenig die Rede. Der Landwirtschaftliche Kurs ist ein Kurs speziell für den Boden – und der andere Pol sind die Sterne. Es ist also auch ein kosmischer Kurs. So haben wir gelernt, während 100 Jahren uns zutiefst mit dem Boden zu verbinden und gleichermaßen auf die Sterne zu schauen. Aber es gibt in dem Kurs keinen Vortrag, von dem man sagen könnte, das ist der Klima-Vortrag. Wir müssen also, wenn es ums Klima geht, uns beweglich zeigen und die Zusammenhänge selbst entwickeln. Wir müssen versuchen, dasjenige, was wir gelernt haben in Bezug auf den Boden und die Erde und in Bezug auf das, was über dem Klima ist, nämlich die kosmische Situation, in uns so beweglich zu machen, dass wir das Klima als Phänomen zwischen dem Irdischen und dem Kosmischen verstehen lernen und dafür gesprächs- und handlungsfähig werden.
Daher stellt sich die Frage: Können wir, nachdem wir Landwirte sind, auch Klimawirte werden? Ich denke schon. Aber was hieße das? Dafür werde ich versuchen, einen Anfang zu machen. Wir müssen also das, was wir vom Boden wissen, ein bisschen mehr kosmisch machen, und das, was wir vom Kosmos wissen, ein bisschen irdischer machen. Wenn die beiden näher zusammenkommen, dann wären wir im Bereich des Klimas. Vom Boden, von der Bodenfruchtbarkeit ausgehend will ich das in einem kurzen Phänomen veranschaulichen. In den Boden säen wir die Saat, die dann zu wachsen beginnt. Beispielsweise einen Weizen oder noch besser einen Roggen, der wird im Oktober gesät. Er keimt, es werden kleine Pflanzen, sie gehen durch den Winter, haben eine starke Wurzel gebildet im Winter und sich stark mit der Erde verbunden. Im März/April bestockt das, dann schießt es in die Höhe. 1 m – 1,5 m über dem Boden entwickeln sich die Ähren und füllen sich. Damit habe ich dasjenige, was unten im Boden mineralisch gewesen ist, was ich nicht essen könnte, jetzt in Form von Getreidekörnern, massig geworden, 1,5 m über dem Boden. Ich bekomme ca. vier Tonnen Ertrag, obwohl ich nur 200 Kilogramm gesät habe. Die vier Tonnen habe ich jetzt zur Ernährung – das ist eine Folge der Bodenfruchtbarkeit! Etwas, was unten war und was ich nicht essen kann, ist auf einer höheren Stufe nach dem Durchgang eines Jahres jetzt in Form von vier Tonnen Essbarem vorhanden. Daraus wird Mehl, wird unser Brot. Ich muss nur wieder 200 Kilogramm davon zurückbehalten, um wieder säen zu können, 3800 Kilogramm kann ich verkaufen. Das ist Bodenfruchtbarkeit, das ist die Ur-Geste der Produktivität der Landwirtschaft.
So lernen wir aus vielen Stellen des Landwirtschaftlichen Kurses von der horizontalen Dimension und wie sich das bewegen kann. Da gibt es Horizonte, die sind beweglich, und je nachdem, wo ein solcher Horizont ist, habe ich gesunde Verhältnisse und eben Ertrag und Fruchtbarkeit. Oder es kann auch zum Problem werden, wenn eine Linie entsteht, die beispielsweise zu einem neuen Boden für Parasiten wird. Dann habe ich dort eine pilzliche Situation. Also wir lernen im Landwirtschaftlichen Kurs, dass die Schichtung eigentlich zwischen Himmel und Erde ist, eine Dimension, mit der wir fortwährend forschend umgehen. Dies ist uns nicht fremd. Das heißt, die Vertikale zwischen dem Sonnenmittelpunkt und dem Erdmittelpunkt, in die sich jede Pflanze hineinstellt – idealiter gesprochen –, ist durch verschiedene Schichtungen gekennzeichnet. Und jetzt versuchen wir einmal in diese Schichtung hineinzugehen. Denn wenn wir vom Klima sprechen, haben wir das Bild – jetzt mal von der Atmosphärenphysik her gesprochen –, dass wir oben in der Stratosphäre ein Stauungsphänomen haben, wo eigentlich dasjenige, was herausgehen müsste aus der Atmosphäre, durch die Akkumulation der CO2-Äquivalente wieder zurückgestrahlt wird und damit zur Erwärmung der Erde führt, was dann zu diesem Chaos im Klima führt, das auch Klimabruch genannt wird.
Und die Frage heute ist: Können wir diesen Zusammenhang begreifen und erfassen? Lassen Sie uns zusammen hochgehen an diesen Ort, den wir in unserer dinglichen Vorstellung durchaus noch denkend erreichen. Da ist ein Austausch gestört zwischen dem, was noch zur Erde gehört, und dem, was dann schon zum Kosmos gehört. Aber wenn man sich einfach so hochkatapultiert, dann kommt man nur abstrakt dahin. Also versuchen wir schrittweise etwas langsamer im inneren Nachvollzug hochzugehen. Wenn wir vom Erdboden ausgehen und einen ersten Schritt in die Höhe machen, dann sind wir auf der Ebene der Ähren. Wir haben gerade gehört, dass das schon weit weg ist von der Erde. Auch wenn es uns eigentlich nur wenig erscheint, ist es qualitativ schon sehr viel. Ein Halm 1 m – 1,5 m hoch, der oben diese Ähre trägt, das ist schon gigantisch. Jetzt heben wir den Blick von dem Ährenfeld zu den Hecken, gehen mit unserem Bewusstsein auf die Höhe der Bäume, die im Umfeld stehen. Einige von uns waren heute Morgen mit auf dem Feld zum Arbeiten und Sie können vielleicht den Landschaftsblick erinnern. Sich mit der Vorstellung auf die Höhe der Krone eines solchen Feldrandbaumes zu begeben, erfordert schon eine innere Bewegung. Wir wären jetzt wie ein Vogel auf diesem Baum. Das ist schon ein deutlich anderer Blick, nicht mehr dieser erdnahe Blick. Die vielen Disteln im Feld, die wir heute Morgen gezogen haben, relativieren sich hier schon – zum Glück. Unser Blick geht im Aufsteigen weiter, wir kommen auf die Hügel rundum und die etwas entfernteren Berge. Da kommt dann die Horizontlinie in den Blick und wir gehen weiter hoch. Dann schauen wir in die Schweiz, es kommt der Blick auf die hohen Alpen, auf deren Spitzen, 4000 m hoch und mehr, schon weiß, mit ewigem Schnee. Und die Wolken kommen dann auch, die die Spitzen der hohen Berge streifen.
Die Wolke aber ist ein Phänomen der Luft, der Atmosphäre. Jetzt muss ich mich also von meiner letzten Bodenverhaftung auf die Wolke erheben, komme in die Wolkenhöhe und noch weiter. Vielleicht kann man sich vorstellen, wie man jenseits des Regenbogens kommt, der sich zwischen Himmel und Erde aufspannt. Und dann wäre ich in der stratosphärischen Schicht, wo wir dieses Phänomen der Stauung, der Atmung zwischen Erde und Himmel haben. Wenn ich diese Ausdehnung Schritt für Schritt innerlich vollziehe und dort oben ankomme, dann bin ich kein Punkt mehr mit meinem Ich-Bewusstsein. Jetzt bin ich selbst atmosphärisch geworden. Ich habe ein peripheres Bewusstsein, und die große Herausforderung ist, ob ich dennoch mein Ich-Bewusstsein behalten kann. Sodass ich weder verschwinde in allem noch der Punkt nur bleibe, der ich normalerweise bin als Ich. Kann ich mein Ich-Bewusstsein behalten und gleichermaßen atmosphärisch und peripherisch sein? Es sind kleine Momente, in denen so etwas gelingt. Es geschieht und verschwindet auch schnell wieder. Dann kann ich mich bewusst als diese Peripherie erleben.
Ich kann zum einen von innen her die ausgedehnte Erde, die Atmosphäre der Erde erleben. Und ich kann auch von außen, vom Kosmischen her mich an diese Peripherie herandenken, an diese Peripherie, wo innen und außen sich begegnen. Dann erlebe ich mich in der untersten Schicht des Kosmos und in der obersten Schicht des Irdischen. Das Eigenartige ist nun, dass ich dort mit meinem Ich-Bewusstsein, wenn es mir gelingt, gleichzeitig auch das Ich-Bewusstsein der anderen habe. In diesem peripheren Sein ist es nicht mehr so, dass dort, wo ich bin, der andere nicht sein kann. Es ist so, dass dort, wo ich bin, der andere auch ist. Und da haben wir ein Erlebnis davon, dass das Klimaproblem uns alle gleichermaßen angeht, obwohl wir nicht darauf verzichten können, dass der Einzelne sich dafür engagiert, damit das Ganze wieder in Ordnung kommt. Und wenn man diese Sphäre noch weiter befragt, dann gibt es nicht nur diejenigen, mit denen wir gegenwärtig zusammen sind. Es gibt auch die weggehenden Menschen, diejenigen, die gerade gestorben sind und sich von der Erde lösen, in den Kosmos sich entfernen. Und es gibt ankommende Kollegen, Kolleginnen in dieser Sphäre, diejenigen, die sich gerade anschicken zu inkarnieren, um die nächste Generation auf der Erde zu sein.
Diese erweiterte soziale Situation kann man erleben: Diejenigen, die wir hier sind, diejenigen, die hier waren, und diejenigen, die hier sein werden. In dieses Erlebnis kann man kommen und kann versuchen, ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass das Ich in der peripheren Art sich nicht nur abgrenzen muss von allen anderen, sondern seine Ichhaftigkeit auch dadurch bekommt, dass es mit den anderen ist. Ich bin, weil du bist, sagt man im afrikanischen Ubuntu. Ich bin, weil du bist. Das kann man in dieser Sphäre erfahren. Und wenn wir jetzt aus der Peripherie, wo wir versucht haben, uns in die Situation der Erde als Ganzes zu begeben, auf die Erde schauen, dann merken wir: In diesem peripheren Ich-Bewusstsein ist die Erde drin. Sie ist nicht nichtig. Diese Erde, die wir gemeinsam haben, sie ist ein Teil meiner selbst. Wir können auch sagen: Die Erde ist die Substanz unseres Schicksals. Das ist es, was es zu entdecken gilt mit dieser Klima-Frage.
Wenn wir jetzt wieder stufenweise herunterkommen, uns diesem Ort hier wieder annähern, dem Dottenfelderhof, an dem wir jetzt sind, dann ist das nicht nur der Dottenfelderhof mit seinen 200 Hektar, der begrenzt ist nach links und rechts. Sondern das hier ist die Erde in der Form des Dottenfelderhofs. In ihm ist die ganze Erde repräsentiert, und er vertritt als landwirtschaftlicher Organismus, als landwirtschaftliche Individualität hier die ganze Erde an diesem einen Punkt. Das ist eine Handlungs- und Inspirationsgrundlage, die wir aus dem Landwirtschaftlichen Kurs haben und die wir in dieser Weise neu entdecken können aus der Klimasituation.
Keiner von uns kann weltweit agieren. Wir können nur punktuell agieren so weit, wie unsere Hände reichen, um hier die Disteln herauszuziehen oder den Weizen auszusäen. Aber ich würde sagen, aus diesem kleinen Erlebnis der Bewusstseinsweitung, dem Hochgehen und wieder Runterkommen, können wir uns mit einem Ort neu und ganz verbinden. Wir können uns in der Weise verbinden, dass wir versuchen, den Boden zu verlebendigen, um einen lebendigen Organismus zu bilden, der auf dem Weg ist, eine Individualität zu werden. Das wäre die adäquate Form, mit der Erde in neuer Weise umzugehen, sodass sie in ihrer Klimaqualität eine neue Zuwendung, eine neue Pflege bekommt, statt dass wir paralysiert, gelähmt sein müssen, weil wir denken, der Einzelne kann nichts bewirken. Wir brauchen uns nicht frustriert oder beschränkt fühlen, weil wir meinen, wir könnten an unserem jeweiligen Ort kaum etwas Relevantes bewirken. Gerade das Aktivsein, das Arbeiten an meinem speziellen Ort ist die adäquate Verbindung mit peripherem Bewusstsein, wo ich die ganze Erde in meinem Ich mittrage. Die landwirtschaftliche Individualität als Realisierung dessen, dass wir alle gemeinsam, aber jeder an seinem Ort für diese Erde und ihr Klima verantwortlich sind. Darin liegt aus meiner Sicht die Verbindung von 100 Jahren Landwirtschaftlichem Kurs und der heutigen Klima-Herausforderung.