Ausführlicher Bericht der Interdisziplinären Landschaftsplanungswoche am Goetheanum 2012:
Goetheanum Gartenpark: Idee oder soziales Ereignis?
Kurzbericht Landschaftsplanungswoche 2012
Das Rückgrat stärken
Hans-Christian Zehnter
Neugestaltung des Nordgeländes am Goetheanum notwendig
Gemeinsam über Grenzen wachsen – so lautet das Motto der IBA-Basel 2020. Zu den vornominierten Projekten gehört die Planungsidee „Naturkorridor Gartenpark“ des Goetheanum in Dornach (So). Für den Nordbereich des dortigen Gartenparks besteht Bedarf nach einem Gesamtkonzept. Während der Südbereich über Jahrzehnte in exemplarischer Weise durchgestaltet und ergriffen werden konnte, fehlt dem Nordbereich eine eigene Identität. Mit einem Neugriff böte sich außerdem die Chance, einen noch bestehenden Naturkorridor (von den östlich vom Goetheanum-Gelände liegenden Jurahöhen bis zum Anschluss an die Birsparklandschaft) – auszugestalten und historisch gewachsene, lokale, regionale und überregionale Grenzziehungen neu zu besinnen.
Landschaftsplanungswoche
Als ein erster Schritt auf dem Weg zur Realisierung führten die Sektion für Landwirtschaft, die Bauadministration und die Gärtnerei am Goetheanum sowie die „Petrarca-Europäische Akademie für Landschaftskultur“ vom 2. bis 7. September 2012 einer Landschaftsplanungswoche durch. Das Kernanliegen der Petrarca-Akademie besteht darin, die in einer Landschaft lebenden, sie gestaltenden und für sie verantwortlichen Menschen darin zu unterstützen, Intuitionsfähigkeit und Urteilssicherheit in Bezug auf die eigenen Intentionen zu gewinnen bzw. zu verstärken. Die dadurch erlangte Fähigkeit lässt sich mit dem Begriff „Landschaftskompetenz“ beschreiben.
Für das Vorgehen leitend sind eine bewusste Prozessgestaltung sowie die Schulung der Wahrnehmungsfähigkeit. Aus der Wahrnehmung der konkreten Situation vor Ort wird die Entwicklung von Leitideen ermöglicht, und für bereits bestehende Pläne kann die Motivlage erhellt werden.
Einverleibung
In vier Arbeitsgruppen arbeiteten 28 Teilnehmer aus sechs europäischen Ländern eine Woche lang an den folgenden Aufgabenfeldern: Vegetationsgestaltung, Gestaltung des Wasseraspektes, Wegegestaltung, Architektonische und betriebstechnische Gestaltung.
Um den Teilnehmern eine möglichst umfassende Kenntnis der Landschaft, ihrer geschichtlichen und naturgegebenen Voraussetzungen zu ermöglichen, wurde vorab ein ausführliches Dossier erstellt (siehe: www.sektion-landwirtschaft.org/Landschafts
woche.4641.0.html).
Zu den Grundforderungen einer Landschaftskompetenz zählen die leibliche und sinnliche Begegnung mit einer Landschaft sowie die anschließende reflexive Aufarbeitung der Erfahrungen zu einem inneren Gesamtbild. Eine Landschaft wird auf diese Weise bewusst „einverleibt“. Die Landschaftsplanungswoche begann daher mit einer ausgedehnten Ganztags-Begehung der Jura- und Birslandschaft rund um den Goetheanum-Gartenpark.
Partizipation gefragt
Als Gastredner war Raimund Rodelwald von der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz eingeladen worden, die den acht Gemeinden des Birsparks den Landschaftspreis 2012 verliehen hat. Rodewald regte eine Diskussion und Besinnung auf den Wert der Ästhetik für den Schutz von Landschaften an.
Zur Gewährleistung eines gemeinschaftlichen Prozesses setzten die Veranstalter unter anderem künstlerische Übungen (Plastizieren, Sprachgestaltung, Eurythmie), diverse Beobachtungsübungen zur Schulung der sinnlichen und geistigen Aufmerksamkeit (siehe hierzu u.a. Jochen Bockemühl (2010): Lebt die Welt in mir?) sowie soziale Techniken wie zum Beispiel das sogenannte World-Cafe (siehe „Theorie U“ von Klaus-Otto Scharmer) ein.
Am Ende der Woche wurden die Ergebnisse der Arbeitsgruppen geladenen Gästen (u.a. Gemeindepräsident Christan Schlatter, Dornach) vorgestellt.
Bauadministration und Gärtnerei am Goetheanum zeigten sich am Ende der intensiven Arbeit zufrieden darüber, dass die zuvor durchaus diversen Intentionen nun in eine einheitliche Richtung gelenkt werden konnten und ein ganzheitliches Gesamtkonzept für die Gestaltung des Nordgeländes in greifbare Nähe gerückt sei. Allein schon die verstärkte und liebevoll interessierte Zuwendung zum Nordgelände habe dieses in einem neuen Licht erscheinen lassen und dessen Eigenwert eines charakterstarken Rückgrates für das Gesamtgelände herausplastiziert.
Die Ergebnisse respektive das Gesamtkonzept werden – partizipativ und transparent –schrittweise den Mitarbeitern, Anwohnern und Besuchern des Goetheanum-Geländes vorgestellt und dialogisch weiterentwickelt.
Wenn auch Teile der Planung durch die Gärtnerei am Goetheanum im laufenden Betrieb umgesetzt werden können, so gilt auch hier: Gut Ding will Weile haben. Die IBA-Basel läuft bis 2020; und selbst bis dahin bedarf es noch einiges an Effort, die für die Gestaltungs-Vorhaben notwendigen Gelder zu akquirieren.